Gegen Atom: Auch Christen in der DDR engagierten sich
An diesem Wochenende gehen wieder tausende Menschen in Deutschland auf die Straße um gegen Atomenergie zu protestieren. Der Widerstand hat eine lange Geschichte - nicht nur in der Bundesrepublik. Auch in der DDR gab es Engagement gegen Kernkraft. Christinnen und Christen haben dabei eine wichtige Rolle gespielt: Die Umweltbewegung traf sich im Schutz der Kirchen - aber auch hier hatte die Staatsicherheit Spitzel im Einsatz. Im östlichen Deutschland war es strafbar, Umweltdaten öffentlich zugänglich zu machen, gleichwohl der Umweltschutz Staatsziel mit Verfasssungsrang war. Hannelore Franck vom Ökumenischen Informationszentrum Dresden erinnert sich für evangelisch.de in einem Gastbeitrag.
25.03.2011
Von Hannelore Franck

"Je länger man an der Orientierung auf Kernenergie festhält, desto schwerer wird es, die Mittel zur Erschließung von regenerativen Energiequellen aufzubringen." So steht es in den Texten zur Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung im April 1989 in Dresden (Kapitel 4.2, Absatz 14).

Oder im Kapitel 2.2, Absatz 6: "Uns beunruhigt die unvermeidliche Freisetzung von radioaktiven Substanzen aus Anlagen der Kernenergetik vom Erzabbau über Aufbereitung und Reaktorbetrieb bis zur Wiederaufbereitung. Die sichere Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen über Zehntausende von Jahren ist weltweit nicht gelöst. Kernkraftwerke, Wiederaufbereitungsanlagen und Endlager für atomaren Müll können nicht vor der Zerstörung durch Terroranschläge oder Krieg geschützt werden."1

Das sind genau die Punkte, um die es heute geht, und um derentwillen sich schon damals Menschen aus Kirchgemeinden in der DDR zusammenfanden, um sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.

Ökologisches Gewissen der Stadt

Der ökologische Arbeitskreis der Dresdner Kirchenbezirke (ÖAK) gründete sich 1980 mit der Zielstellung, aus der christlichen Verantwortung heraus zu informieren, Betroffenheit und Nachdenken auszulösen, also Umweltbewusstsein zu wecken. Es ging darum, die Informationen in der eigenen persönlichen Lebensweise umzusetzen und mit Aktionen in der Kirchgemeinde, im kommunalen Bereich und in der DDR auf die Umweltsituation aufmerksam zu machen und Veränderungen anzustreben.

Der ÖAK wurde als das ökologische Gewissen unserer Stadt Dresden bezeichnet in einer Zeit, in der es strafbar war, Umweltdaten öffentlich zu machen. Eine Umweltarbeit war nur unter dem Schutz der Kirche machbar. Zu den Offenen Abenden, die durch Weitersagen oder einige wenige Aushänge in den Kirchgemeinden bekannt gemacht wurden, kamen bis zu 200 Menschen, nicht nur aus Kirchgemeinden.

Natürlich waren wir vom Staatssicherheitsdienst unterwandert. In jeder der Untergruppen gab es mindestens einen, der sich auch intensiv in die Inhalte einbrachte. Um so größer war die Enttäuschung nach der Wende darüber. Dass wir "stille" Mithörer hatten, war uns klar, aber das ganze Ausmaß hatte mindestens ich unterschätzt. Immer noch kann ich es nicht fassen, wie jemand, der sich mit uns gemeinsam für ökologische Belange einsetzt, Ideen einbringt, Aktionen plant und ausführt, alles detailliert weiterberichtet. Viele waren in irgendeiner Weise erpresst worden, aber das ist eine Erklärung, keine Entschuldigung.

Ziele haben nichts an Aktualität verloren

Aus Anlass des Reaktorunfalles von Tschernobyl am 26. April 1986 bildete sich innerhalb des ÖAK eine Untergruppe "Energie", um "gerade in einer Zeit, in der die Informationen gesperrt waren, man in die Lage kommt, wirklich Sachinformationen zu sammeln, um eine kritische, auch fachlich fundierte Gegenöffentlichkeit zu erzeugen. Wir wollten die Informationssperre aufbrechen."2 So beschrieb es Klaus Gaber, Mitbegründer der Gruppe "Energie" im ÖAK, in den Neunziger Jahren Umweltbürgermeister der Stadt Dresden.

Gemeinsam mit anderen Engagierten habe ich 1986 eine Gruppe "Umweltbildung" ins Leben gerufen, mit dem Ziel, alles was wächst und uns umgibt, kennen- und lieben zu lernen. Denn das werden wir auch schützen.

Viele der Texte der Ökumenischen Versammlung sind durch aktive Mitarbeit von Mitgliedern des ÖAK und mehr als 10.000 Christen der DDR entstanden. Sowohl diese Texte als auch die Zielstellungen des ÖAK haben bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Der ÖAK beendete 1993 seine Arbeit, aber seine Mitglieder engagieren sich bis heute im kirchlichen Bereich (z.B. im Ökumenischen Informationszentrum Dresden), in Vereinen und Verbänden oder in der Politik.


Dr. Hannelore Franck ist die Referentin für die Bewahrung der Schöpfung im Ökumenischen Informationszentrum Dresden.


Literaturnachweise:

[1] Dokumentation der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste 1990

[2] Das Grüne Kreuz, Ökologischer Arbeitskreis der Dresdner Kirchenbezirke, Bildungswerk Weiterdenken, Grüne Liga Sachsen 1998