Hans-Jürgen Röder: Eine Stimme des Ostens
Als Journalist Zeitgeschichte zu schreiben ist wenigen vergönnt. Ebenso Augenzeuge einer Revolution zu sein, die auch noch friedlich verläuft.Auf Hans-Jürgen Röder trifft beides zu. Als langjähriger DDR-Korrespondent des Evangelischen Pressedienstes (epd) war er 1989/90 ganz nah dran am Geschehen.
24.03.2011
Von Martin Hanusch

Fast rund um die Uhr berichtete er in dieser bewegten Zeit über die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen im Osten. "Das sind wirklich die verrücktesten Zeiten in meinem Beruf und in meinem Leben überhaupt gewesen", sagt der 65-Jährige Hans-Jürgen Röder heute.

Röder habe den Menschen in der DDR eine Stimme gegeben, erinnert sich der frühere Korrespondent der "Frankfurter Rundschau", Karl-Heinz Baum. Seiner Aufgabe als Mittler und Berichterstatter ist Röder bis heute treu geblieben. Mehr als 20 Jahre stand er an der Spitze des von ihm mitgegründeten epd-Landesdienstes Ost. Am 31. März scheidet er aus dem Amt.

Als Erwachsener kehrt Röder zurück in den Osten

Obwohl Röder selbst aus dem thüringischen Suhl stammt, hat er zunächst kaum Verbindungen in den Osten. 1954 fliehen die Eltern mit dem Achtjährigen in den Westen, bis 1966 lebt er in Wolfsburg.
Anschließend studiert Röder Geschichte, Politik und Publizistik in Göttingen, Hamburg und Berlin. Schon früh richtet sich aber sein Interesse auf das, was hinter der Mauer passiert.

Mitte der 70er Jahre findet der Journalist dann sein Lebensthema. Zunächst arbeitet er als Redakteur bei der in West-Berlin herausgegebenen Zeitschrift "Kirche im Sozialismus". Als 1979 die von der evangelischen Kirche getragene Nachrichtenagentur epd einen DDR-Korrespondenten sucht, geht Röder "rüber" - in den anderen Teil der Stadt. "Mein Traumjob", wie er im Rückblick findet.

Aber auch privat werden die Bande in den Osten enger. 1981 lernt er seine Frau Bettina kennen, die zu dieser Zeit als Redakteurin bei der sächsischen Kirchenzeitung arbeitet. Die Ost-Berliner Wohnung der Röders wird quasi zu einem Treffpunkt der Opposition.

Durch seine Kontakte bekommt der Korrespondent des Evangelischen Pressedienstes (epd) auch Informationen, die andere nicht haben: Im Frühjahr 1985 etwa berichtet er als erster, dass ein Vierteljahr zuvor in Güstrow ein angetrunkener Stasi-Wachmann auf drei Passanten geschossen hatte, zwei davon
starben. "Wie ein Lauffeuer" habe sich diese epd-Meldung in den bundesdeutschen Medien verbreitet, erinnert sich der mecklenburgische Theologe und DDR-Bürgerrechtler Heiko Lietz.

Mehr als nur ein Korrespondent

Gelegentlich schmuggelt Röder auch Papiere von West nach Ost oder von Ost nach West und macht so die Grenze ein wenig durchlässiger. "Dass wir so einen Mittler hatten, der unsere Themen in den Westen transportiert hat, war unglaublich wichtig", würdigt der frühere Magdeburger Bischof Axel Noack Röders Arbeit zu DDR-Zeiten.

Doch nicht von allen wird dieser Einsatz geschätzt. Das SED-Regime beäugt den West-Journalisten mit der Ost-Frau argwöhnisch und lässt ihn von der Stasi überwachen. Selbst bei einigen Kirchenoberen kommt die Berichterstattung nicht immer gut an. Sie fürchten die Öffentlichkeit und die Folgen für die eigene Arbeit.

Dafür ist der Kontakt des Journalisten zu den Basisgruppen umso intensiver. Kaum eine Synode oder ein Basistreffen vergeht, bei dem nicht der blaue Saab des DDR-Korrespondenten auftaucht. Und wo er nicht selbst vor Ort sein kann, ist seine Frau zur Stelle. Über viele Jahre hinweg wird so die Berichterstattung
aus der DDR zu einem Markenzeichen des epd. Dessen Beitrag für die innerdeutschen Beziehungen und das Zusammenwachsen des wiedervereinten Landes unterstrich zuletzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2010 bei der 100-Jahr-Feier der Nachrichtenagentur.

epd