Anne Lunds Sonne lacht über Atomkraft – seit 36 Jahren
Es gibt sie auf Deutsch, Dänisch, Englisch, Französisch, Polnisch, Koreanisch, Hebräisch, Arabisch, Baskisch, Friesisch und in Esperanto. Die rote lachende Sonne auf gelbem Grund inmitten des Schriftzugs "Atomkraft? Nein danke" zählt zu den bekanntesten Markenzeichen der Welt. Entworfen wurde sie Mitte der siebziger Jahre von der damals 21-jährigen Studentin Anne Lund. Bis heute gehören die Rechte daran einer Umweltorganisation, die sie anderen Anti-Atomkraft-Initiativen gegen eine geringe Jahresgebühr zur eigenen Nutzung überlässt – solange die Einnahmen in die politische Arbeit fließen. evangelisch.de sprach mit der heute 57 Jahre alten Dänin, die als Wirtschaftsdozentin mit ihrem Mann und ihrer Tochter in der Nähe von Aarhus lebt.
23.03.2011
Die Fragen stellte Thomas Östreicher

Frau Lund, Sie müssen eigentlich reich sein. Stimmt das?

Anne Lund (lacht): Ich kann mich nicht beschweren. Ich hatte seit der Universität immer Arbeit und verdiene mittlerweile ganz gut.

Mit Ihrer berühmten Anti-Atom-Sonne haben Sie nichts verdient? Immerhin wurde sie 20 Millionen, manche sagen 60 Millionen Mal verkauft.

Lund: Nein. Von Anfang an war der Gedanke dahinter, dass das Geld aus dem Erlös der Aufkleber, Buttons und Fahnen in die Umweltbewegung fließt. Es sollte ein Zeichen des Protests sein und zugleich ein Weg, Geld zusammenzubekommen.

Beides hat sehr erfolgreich funktioniert.

Lund: Oh ja. Obwohl es immer mal wieder vorkam, dass manche Leute T-Shirts mit dem Emblem verkauften und das Geld einfach für sich behielten. Aber im Großen und Ganzen funktionierte der Ansatz, mit dem Erlös lokale Bürgerinitiativen zu unterstützen. Weil die Käufer wissen, dass sie damit die Anti-Atom-Bewegung stärken, ist es wohl auch so weit verbreitet.

Stimmt es, dass Ihnen die Idee in der Küche kam?

Lund: Ganz so war es nicht. Ich hatte schon einige Entwürfe gemacht, als Søren Lisberg und ich beim Planen der nächsten Aktionen darauf kamen, dass wir ein aussagekräftiges Motiv für Anstecker bräuchten. Da habe ich meine Skizzen hervorgeholt, und Søren war ganz begeistert davon. Das Fragezeichen in "Atomkraft?" steht für die Aufforderung zum Dialog, zur Diskussion. Uns ging es darum, die Debatte lebendig zu erhalten. Wir haben den Entwurf dann den ungefähr zehn Leuten unserer Anti-AKW-Gruppe in Aarhus gezeigt, und die waren nach kurzer Diskussion auch dafür. Dann haben wir 200 Anstecker herstellen lassen und sie erstmals am 1. Mai 1975 verkauft.

Hatten Sie denn Erfahrung als Grafikerin oder Designerin?

Lund: Nicht die Spur. Mein Erstentwurf ist auch alles andere als professionell. Ich kritzle zwar schon immer auf Briefumschlägen und allen möglichen Papieren herum, aber ich habe überhaupt kein Talent in dieser Richtung. Die Version, die jetzt jeder kennt, hat ein richtiger Grafikdesigner erstellt, das gilt auch für die vielen Varianten in anderen Sprachen.

Wo ist die Sonne am beliebtesten?

Lund: Ich vermute mal in Deutschland. Denn bei uns in Dänemark endete der Streit um die Atomkraft ja schon 1985, als die Entscheidung dagegen fiel. Seitdem brauchen wir die "Nej tak"-Aufkleber nicht mehr. Darüber freuen wir uns wirklich sehr! (lacht) Sie in Deutschland arbeiten ja noch daran, aber ich habe gerade gehört, dass sich der Chef der Evangelischen Kirche in Deutschland gegen Atomkraft ausgesprochen haben soll. Großartig.

Haben Sie damals mit dem immensen Erfolg der lachenden Sonne gerechnet?

Lund: Nein, überhaupt nicht. Wir sahen das damals auch lediglich als ein dänisches Thema an. Ich habe zwar davon geträumt, dass die Leute sich die Buttons anstecken. Die Vorstellung fand ich nett, aber das habe ich niemandem erzählt. Und dann wurde es tatsächlich wahr. Und ich freue mich immer noch darüber, wenn ich die Sonne sehe – zuletzt in einem Fernsehbericht über die Großdemonstration in Berlin vergangenen Herbst.

Schon um 1980 gab es Abwandlungen der berühmten Sonne. Eine davon hebt die linke Faust. Stört Sie das?

Lund: Eigentlich schon. Für mich war klar, dass es so etwas wie eine linke Faust oder ähnliches nicht geben sollte. Das Zeichen sollte für Gewaltfreiheit stehen, positiv und freundlich sein und politisch neutral. Das war uns sehr wichtig. Wissen Sie, ich selbst war damals sehr von Mahatma Ghandi beeinflusst. Die Sonne mit den etwas deutlicheren Augen, die vor einer Weile aufgetaucht ist, die gefällt mir. Hätte ich im Nachhinein auch gern gehabt, aber jetzt ist es, wie es ist. Überhaupt gibt es selbst gemalte Versionen, die noch klüger und fröhlicher wirken. Finde ich gut.

Es wurde auch schon diskutiert, ob man nach gut 35 Jahren nicht einen moderneren, zeitgemäßeren Entwurf bräuchte. Was meinen Sie?

Lund: Na ja, mir persönlich ist das nicht so wichtig, ich habe das Zeichen ja immer als Mittel zum Zweck gesehen. Trotzdem denke ich, wenn man schon mal ein gemeinsames Symbol hat, das so bekannt ist, sollte man es nicht zu sehr verändern, um es nicht zu schwächen. Es ist gewissermaßen ein Balanceakt. Die "Organisation zur Aufklärung über Atomkraft" (OOA) verwaltet die Rechte und schützt die Sonne gegen Missbrauch, gleichzeitig soll es aber möglichst umkompliziert sein, das Emblem zu verwenden. Dahinter steht auch ein demokratischer Gedanke.

Stehen Sie noch im Kontakt mit den alten Mitstreitern?

Lund: Ja, denn mit vielen bin ich seit Jahrzehnten befreundet. Außerdem gibt es seit den Ereignissen in Japan auch wieder vermehrt Presseanfragen (lacht).

Haben Sie ja daran gedacht, Karriere als Designerin zu machen?

Lund: Nein, ich habe einfach kein Talent dafür. Ab und zu spiele ich mit Worten und kleinen Zeichnungen, aber das ist nichts Besonderes. Wenn ich heute etwas entwerfe, behalte ich es lieber für mich.

Besitzen Sie eine Sammlung aller Variationen? Es soll sie in 45 Sprachen geben.

Lund: Lustigerweise habe ich gerade vor ein paar Wochen zufällig zwischen alten Sachen etliche Buttons entdeckt, die ich längst vergessen hatte. Einige sind uralt, aus den Siebzigern. Aber ich habe längst nicht von jeder Ausgabe ein Exemplar.

Sind Sie immer noch gegen Atomkraft?

Lund: Aber sicher! Das mag mit dem Festhalten an alten Überzeugungen zu tun haben, aber es gibt nun mal nach wie vor gute Gründe dagegen, schon gar nach dem Japan-Desaster. Hätten sie statt eines AKW in Fukushima 1.500 Offshore-Windanlagen betrieben, hätte der Tsunami schlimmstenfalls alle zerstört. Die hätte man reparieren können – aufwendig, aber leistbar. Jetzt haben sie sowohl keine Kraftwerke mehr als auch eine große, wie stark auch immer radioaktiv verstrahlte Region. Selbst wenn sie nicht stark verstrahlt ist, wird dort keiner mehr leben wollen – oder können. Die Krebsfälle werden zunehmen, das ist entsetzlich. Dabei wäre es auch anders gegangen!

Man merkt, das Thema bewegt Sie.

Lund: Es ist aktueller denn je. Ich höre immer, dass man hier in Europa nicht ohne Weiteres auf Atomkraft verzichten könne. Über Nacht geht das möglicherweise nicht, aber mittelfristig ist der Umstieg auf Sonnen-, Wind- und Wasserenergie sehr wohl machbar. Hier in Dänemark erzeugen wir ein Viertel unseres Bedarfs mit Windenergie, und das obwohl aus ideologischen Gründen seit zehn Jahren keine neuen Windräder mehr aufgestellt werden. Der Anteil könnte also sogar noch höher sein. Kurz gesagt: Ich bin gegen Atomkraft. Wegen des ungelösten Abfallproblems, der Sicherheit im Betrieb, dem mangelnden Schutz gegen Anschläge und dem riskanten Transport der Brennstäbe, über den wenig gesprochen wird.

Im Rückblick betrachtet: Wie wichtig war die lachende Sonne für die Umweltbewegung?

Lund: Schwer zu sagen, denn ohne die Bewegung hätte es auch keine "Smiling Sun" gegeben. Ich habe zu den Organisatoren des Widerstands gegen das damals geplante AKW südlich von Aarhus gehört. Am Ende standen auf unserer Liste der Mitstreiter 1200 Namen – und das in einer relativ kleinen Stadt. Es haben sich in dieser Sache also sehr viele engagiert, und das hat eine Menge bewirkt. Es gab viele Ideen, zum Beispiel einen Zirkus, bei dem an die 50 Leute mitmachten, die sich als gelbe Clowns verkleideten. Das hat einen riesen Spaß gemacht, und solche Aktionen gab es etliche.

Sind Sie stolz, Teil dieser Geschichte zu sein?

Lund: Es macht mich froh, denn es hat mich darin bestärkt, an die Kraft der Veränderung zu glauben. Ich habe es selbst erfahren: Wenn wir bereit sind, uns einzusetzen, können wir etwas bewegen. Es hat eine Bedeutung, was man tut – und was man unterlässt.


Thomas Östreicher ist freier Mitarbeiter bei evangelisch.de.