Pensionsfonds setzen auf die Katastrophe
Karl Marx scheint Recht zu behalten: Im Kapitalismus wird schier alles zu Geld gemacht - Liebe, Gott und nun auch Naturkatastrophen. Die großen Versicherungskonzerne sehen das anders. Ihnen drohen die Risiken aus Erdbeben, Tsunamis und Hurrikans in einer globalisierten Weltwirtschaft über den Kopf zu wachsen. Eine ihrer Antworten darauf sind "Cat-Bonds", Katastrophenanleihen.
23.03.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Im vergangenen Jahr schreckten nach der Definition der Vereinten Nationen fünf "Größtkatastrophen" auch den letzten Sicherheitsverkäufer auf: Erdbeben in Haiti, Chile und in Zentral-China, eine Hitzewelle in Russland und in benachbarten Ländern, die von Juli bis September andauerte, sowie monatelange Überschwemmungen in Pakistan brachten Tot, Not und milliardenschwere Schadenszahlungen.

Insgesamt verzeichnete die Assekuranz im vergangenen Jahr 950 Naturkatastrophen, neun von zehn davon waren wetterbedingte Ereignisse wie Unwetter oder Stürme. Insgesamt zählte man "etwa" 295.000 Todesopfer. Dass es noch schlimmer hätte kommen können, zeigte die Hurrikansaison. Durch günstige Wetterlagen drehten die meisten Stürme auf dem Nordatlantik ab, bevor sie auf eine Küste prallten.

2011 ist das japanische Unglück nach den Überschwemmungen in Australien und dem Erdbeben in Neuseeland nun bereits das dritte große - im Fachjargon - "Schadenereignis" in diesem jungen Jahr.

Der Mensch macht Katastrophen kostspielig

US-Hurrikans, Tsunamis im Pazifik oder Winterstürme in Europa kosten die Versicherer viel Geld. Zu viel. Das liegt allerdings weniger an Wetterunbilden und Naturkatastrophen als vielmehr am Menschen selbst: Vor allem in Asien ziehen immer mehr Erdenbürger in wirtschaftlich erfolgreiche, aber geologisch gefährdete Regionen wie Flussufer, Täler und Küsten; und immer mehr und höhere Werte werden bei der Assekuranz finanziell abgesichert, auch in Europa und Deutschland.

Naturkatastrophen sind aber versicherungsmathematisch unkalkulierbar. Die Zeche zahlen dann vor allem Rückversicherer. Sie versichern andere Gesellschaften, so genannte Erstversicherer. Bei einer Handvoll globaler Rückversicherer sammelt sich so ein Großteil der weltweiten, Milliarden Dollar schweren Natur-Risiken. Genaue Summen bleiben Geschäftsgeheimnis. Zu der Handvoll Global Player gehört neben Munich Re in München auch die Hannover Rück. Doch die globalen Wagnisse wachsen und auch die deutschen Versicherer wollen sie immer weniger alleine schultern.

Eine Antwort, um die Risiken zu deckeln, sind Katastrophenanleihen. Rückversicherer haben bereits vor dem Ausbruch der großen Banken- und Wirtschaftskrise 2007 begonnen, Natur-Risiken zu "verbriefen" und als Wertpapiere auf den Finanzmärkten zu verkaufen. Inzwischen boomt der weltweite Markt für Katastrophenanleihen, so genannte Cat-Bonds, wieder. Angesichts des derzeitigen Niedrigzinsniveaus suchen Banken und Investoren händeringend nach attraktiven Anlagemöglichkeiten - und die Katastrophenanleihen versprechen sogar eine Super-Rendite von zehn Prozent und mehr. Seit kurzem gehören selbst Pensionsfonds zu den Abnehmern.

Wetten wie damals vor der Finanzkrise

Den Kern jeder Katastrophenanleihe bildet eine typische Wette: Geht alles gut, kassieren die Anleger auf Kosten des Versicherers hohe Zinsen. Schlägt jedoch ein Erdbeben im Pazifik zu oder verhagelt ein Hurrikan den amerikanischen Bauern die Ernte, verlieren die Investoren ihr eingesetztes Kapital teilweise oder im Extremfall sogar ganz. Der Versicherer hält sich dann trotz Unglücks schadlos. Allein im vergangenen Jahr wurden Katastrophenanleihen für fünf Milliarden Dollar neu ausgegeben. Für dieses Jahr erwartet die Munich Re einen weiteren Anstieg im jungen Markt.

Umstritten ist, ob die jungen und weitgehend unregulierten Cat-Bonds eines Tages die Stabilität der Finanzmärkte gefährden werden. Nein, meint die Deutsche Bank. Mit diesen Finanzvehikeln können Versicherer vor allem Risiken "effizienter managen", lobt der Branchenführer in einer Studie. Dies mache Versicherungen sicherer - "Risikostreuung" heißt das durchaus bewährte Motto bei den Sicherheitsverkäufern.

Oder Zocker könnten "neue Blasen" auf den Finanzmärkten aufpumpen, wie das globalisierungskritische Netzwerk Attac befürchtet. Vertraute Argumente. Genau so wurde vor wenigen Jahren über Verbriefungen von amerikanischen Hypothekendarlehen gestritten, bis diese Spekulationsblase im Sommer 2007 platzte und die größte Banken- und Wirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren auslöste.

Das verheerende Erdbeben in Japan hat auch die Katastrophenanleihen schwer getroffen. Mindestens zehn ausstehende Cat-Bonds mit einem Volumen von über 1,2 Milliarden Dollar sollen Erdbebenrisiken aus der Region im Portfolio haben. Für Munich Re und Hannover Rück ist das eigentlich eine gute Nachricht, weil sie mit ihren Katastrophenanleihen eigene Verluste aus der Japan-Tragödie abgesichert haben. Dagegen dürfte für Banken, Fonds und anderen Käufern von Katastrophenanleihen die japanische Tragödie noch sehr kostspielig werden. Karl Marx wäre das wohl recht.


Hermannus Pfeiffer ist Wirtschaftsexperte und freier Journalist in Hamburg.