Erhöhte Radioaktivität im Trinkwasser in Tokio
Seit Tagen mehren sich Berichte aus Japan über radioaktiv belastetes Blattgemüse, Milch und Trinkwasser. Am Mittwoch warnten die Behörden, dass nun auch Babys in Tokio kein Leitungswasser mehr trinken sollen.

Das Trinkwasser in Tokio ist radioaktiv belastet. Babys in der Hauptstadt sollen deshalb kein Leitungswasser mehr trinken. Im Wasser seien erhöhte Werte von 210 Becquerel pro Liter an radioaktivem Jod 131 festgestellt worden, sagte ein Sprecher der Hauptstadtpräfektur Tokio am Mittwochnachmittag (Ortszeit). Die Warnung betreffe Kinder unter einem Jahr. Zuvor war bereits im Trinkwasser in fünf Orten der Präfektur Fukushima ein für Babys zu hoher Wert an radioaktivem Jod gemessen worden. Die Regierung riet den Menschen außerdem, kein Blattgemüse wie Spinat aus Fukushima zu essen. Dort steht das havarierte Atomkraftwerk, aus dem seit Tagen radioaktive Strahlung in die Umwelt entweicht.

Die erhöhten Werte an radioaktivem Jod im Trinkwasser wurden in einer Wasseraufbereitungsanlage in Tokio festgestellt. Der Grenzwert des japanischen Gesundheitsministeriums liegt für Babys bei 100 Becquerel pro Kilogramm, berichtete der Fernsehsender NHK. Kinder unter einem Jahr sollten deshalb vorerst kein Leitungswasser oder mit Leitungswasser angerührtes Milchpulver mehr trinken. Die Warnung gelte für alle 23 zentralen Bezirke in Tokio und für das westlich gelegene Tama-Gebiet. Bei radioaktivem Cäsium 137 seien keine überhöhten Werte registriert worden.

Grenzwerte für Erwachsene liegen höher

Für ältere Kinder und Erwachsene liegen die Grenzwerte für radioaktives Jod 131 bei 300 Becquerel pro Kilo. Der Gouverneur der Hauptstadtpräfektur Tokio, Shintaro Ishihara, rief die Bevölkerung zur Ruhe auf: Es bestehe keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit.

Die japanische Regierung hat vor Panikkäufen von Wasser gewarnt. Die Einwohner von Tokio sollten nicht mehr Trinkwasser in Flaschen kaufen als nötig. Denn Trinkwasser sei in den Katastrophenregionen im Nordosten weiterhin knapp, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Mittwochabend (Ortszeit). "Wir müssen sicherstellen, dass genug Wasser bereitgestellt wird." In Tokio war erhöhte Strahlung im Trinkwasser gemessen worden.

Es sei für ältere Kinder und Erwachsene unbedenklich, das Leitungswasser in Tokio zu trinken, betonte Edano. In einer Wasseraufbereitungsanlage waren erhöhte Werte an radioaktivem Jod festgestellt worden. Die Warnung ist nach Angaben der Behörden eine Vorsichtsmaßnahme, da sich das radioaktive Jod über die Zeit in der Schilddrüse anreichern könne.

Warnungen vor Wasser und Gemüse nur "Vorsichtsmaßnahmen"

Zuvor hatte die Regierung ihren Lieferstopp für Gemüse aus der Gegend um das havarierte Atomkraftwerk in Fukushima ausgeweitet. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte eine Liste mit elf Gemüsearten, bei denen nach dem Unglück eine teilweise drastisch erhöhte Radioaktivität festgestellt wurde. Darunter sind Spinat, Broccoli, Kohl und das japanische Blattgemüse Komatsuna.

Regierungssprecher Yukio Edano sagte auf einer Pressekonferenz, der Verzehr dieses Gemüses gefährde zwar nicht die Gesundheit. "Wir sehen aber, dass die Werte hochgehen und müssen damit rechnen, dass sie ein schädliches Niveau erreichen. Daher ist es sinnvoll, die Lieferungen jetzt zu stoppen." Vorsichtshalber sollten Verbraucher kein in der Präfektur Fukushima angebautes Gemüse mehr verzehren.

In Proben fand das Gesundheitsministerium beim Blattgemüse Kukitachina 82.000 Becquerel an radioaktivem Cäsium und 15.000 Becquerel an radioaktivem Jod. Dies übersteigt die zulässigen Grenzwerte um den Faktor 164 beziehungsweise 7. In der Präfektur Ibaraki wurde auch radioaktiv belastete Milch gefunden.

Radioaktivität und Hitze behindern Reparaturen

Unterdessen verzögern sich die Arbeiten am schwer beschädigten Atomkraftwerk in Fukushima. Am Mittwochnachmittag (Ortszeit) stieg erneut schwarzer Rauch von Reaktor 3 auf. Die Arbeiter mussten den Kontrollraum des Gebäudes verlassen, der Fernsehsender NHK zeigte Bilder von dunklen Schwaden über dem Reaktor. Flammen waren nach Angaben der Betreiberfirma Tepco nicht zu sehen. Woher der Rauch komme, sei noch unklar, sagten Mitarbeiter von Tepco. Wie viele Arbeiter sich in Sicherheit bringen mussten, war ebenfalls zunächst noch nicht bekannt.

Auch die Arbeiten zur Instandsetzung der Reaktortechnik im Block 2 wurden am Mittwoch unterbrochen, weil nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo eine Radioaktivität von 500 Millisievert pro Stunde gemessen wurde. Die natürliche Hintergrundstrahlung liegt bei etwa 2 Millisievert pro Jahr.

Bereits am Montag hatte es über dem Reaktor 3 wieder gequalmt. Der Rauch war dann laut Tepco aber heller geworden und später ganz abgeklungen. Nun könnte der neue Rauch die Arbeiten zur Wiederherstellung des regulären Kühlsystems hinausschieben.

Wie gehen die Reparaturen voran?

Im Kontrollraum von Block 3 hatten Techniker bereits die Beleuchtung repariert. Am Nachmittag war dort außerdem ein neuer Feuerwehreinsatz zur Kühlung geplant, sagte der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde NISA, Hidehiko Nishiyama.

In Block 2 wird befürchtet, dass der innere Reaktorbehälter bei einer Explosion in der vergangenen Woche beschädigt wurde. Techniker wollen dort wie schon im Reaktorblock 3 zunächst die Beleuchtung im Kontrollraum wiederherstellen und Messinstrumente mit Strom versorgen.

Weil im Block 1 der Anlage die Temperatur auf 400 Grad Celsius geklettert war, wurde dieser Reaktor von außen mit Wasser gekühlt, wie der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde NISA, Hidehiko Nishiyama, auf einer Pressekonferenz mitteilte. Danach sei die Temperatur auf 360 Grad gesunken, berichtete der Fernsehsender NHK. Das technische Design des Reaktors sei allerdings nur auf eine Temperatur von 300 Grad ausgelegt.

Auch Block 4 wurde zeitweise wieder von außen mit Wasser besprüht. Dort ist es das Ziel, das Abklingbecken für abgebrannte Brennstäbe zu kühlen.

dpa