Ein hohes Wiehern. Gold Stallion, ein drei Wochen altes Fohlen, stakst auf seinen langen Beinen in einer Berliner Reithalle herum. Kaum zu glauben, aber Gold Stallion ist gerade zu einem Politikum geworden. Sechs Bundestagsabgeordnete starren gebannt auf den kleinen Hannoveranerhengst mit braunem Fell und Wuschelmähne. Wird das Fohlen leiden, wenn ihm gleich ein Brandzeichen auf den linken Oberschenkel gedrückt wird? Um dieses heiße Eisen geht es demnächst im Bundestag: Brandzeichen für Pferde. Ist das eine Tierquälerei, die es zu verbieten gilt?
Im Reitstall zwischen S-Bahn-Trasse und Autobahn kümmern sich drei Fachleute um die Abgeordneten: der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Breido Graf zu Rantzau (mit Mikrofon), der Tierarzt Karl Blobel (mit Brenneisen) und der Pferdezüchter Arend Kamphorst (mit Schlapphut). In der Reithalle schnauben drei Stuten mit geflochtenen Mähnen. Ihre Fohlen tänzeln um sie herum. Das Team ist angetreten, um den Damen und Herren aus dem Bundestag zu zeigen, dass Brenneisen Fohlen nicht wehtun - und der Schenkelbrand deshalb nach 250 Jahren Erfahrung auch nicht verboten werden sollte.
Die Ministerin ist zwar dagegen, kommt aber nicht zum Termin
Die Aufregung um diese Frage ist groß. Der Deutsche Tierschutzbund protestiert gegen Verbrennungen dritten Grades, die Pferden zugefügt würden. In einer Plakatkampagne der Tierschützer ist das qualmende Brandmal mit dem Satz "Fühl dich wie ein Pferd" auf die nackte Schulter einer Frau gedrückt. Der Bundesrat hat am 15. Oktober einen Schenkelbrand-Beschluss gefasst. Darin wird die Bundesregierung gebeten, eine Änderung des Tierschutzgesetzes vorzulegen, samt Brandverbot. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) lässt auf ihrer Internetseite wissen, dass sie dieses Anliegen unterstütze. Eingeladen zum Ortstermin war sie auch, gekommen ist sie nicht.
Pferdezüchter- und Reiterverbände sind entsetzt: Nicht einmal mit einem Mikrochip im Pferdehals, der seit 2009 vorgeschrieben ist, könne man ein Tier so eindeutig zuordnen wie mit einem Brandzeichen, behaupten sie. Mikrochips könnten versagen oder verrutschen, Lesegeräte könnten defekt sein. Ein faustgroßes Brandzeichen sei immer da. Wo es sitzt, wächst lebenslang kein Pferdehaar mehr. Die Technik nutzten schon die Cowboys im Wilden Westen.
In Deutschland gezüchtete Hannoveraner bekommen heute ein "H" mit zwei Pferdeköpfen aufgebrannt. Damit ist die Sache dann auch noch in Abu Dhabi klar. Zuchtpferde sind heute wertvolle Weltreisende. Sie jetten um die Erde wie Spitzensportler. Um der Abordnung des Bundestags die Macht der deutschen Reiter zu demonstrieren, wirft Graf zu Rantzau noch zwei Zahlen in den Ring: Die Pferdebranche schaffe 300.000 Arbeitsplätze und leiste einen Beitrag von sechs Milliarden Euro zum Bruttosozialprodukt.
"Wir haben andere Probleme im Bundestag"
Den kleinen Hengst Gold Stallion beeindruckt das wenig. Er zuckt nur kurz mit einem Ohr, als Tierarzt Blobel das 70 Grad heiße Brandeisen in seinen linken Schenkel drückt. Das Publikum ist ziemlich baff. Auch die anderen beiden Fohlen bäumen sich nach dem Brand nur kurz auf, dann scheint die Sache für sie erledigt. Viel Lärm um nichts? "Pferde sind Fluchttiere", erläutert Blobel, der an der Universität Kiel lehrt. "Sie haben ein ganz anderes Schmerzempfinden als zum Beispiel ein Hund." Eine Studie hat das nach Darstellung des Veterinärs bereits belegt.
Die Demonstration aus der Praxis zeigt zumindest politische Wirkung. "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Tiere gequält werden", sagt die FDP-Abgeordnete Christel Happach-Kasan. "Man kann doch beides belassen, Brandzeichen und Chip." Trotzdem will sie auf ein Gutachten der tierärztlichen Hochschule Hannover warten, bevor der Bundestag abstimmt. Der CDU-Abgeordnete Andreas Mattfeldt sieht in den Wünschen nach einem Verbot des Schenkelbrands nun nicht nur falsch verstandenen Tierschutz. "Das ist eine Scheindebatte. Wir haben echt andere Probleme im Bundestag."