Obama in Nöten: Zweifel an der Libyen-Strategie
Libyen bringt Obama in Nöte. Vor allem Konservative werfen ihm vor, er lasse das Ziel der Militäraktion im Dunkeln. Geht es um den Schutz von Zivilisten oder den Sturz Gaddafis? Obama soll sich erklären.
22.03.2011
Von Gabriele Chwallek

US-Präsident Barack Obama besucht Südamerika, derweil braut sich daheim ein Unwetter zusammen. Immer lauter wird in den USA die Frage an den "Commander in Chief": Wie sieht das "end game" aus, was ist die Strategie? Großen Zeitungen rätseln ebenso wie die Experten der Fernsehkanäle. Die republikanische Opposition lässt keinen Zweifel, dass sie von Obama eine klare Antwort erwartet.

Der Präsident hat Mitschuld an seinem Dilemma. Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi habe seine Legitimität verloren, "er muss gehen", hat er wiederholt gefordert. Nun versichert Obama beharrlich, die US- Rolle bei der Militäraktion in Libyen sei strikt begrenzt: "Wir werden keine Gewalt anwenden, um über ein genau definiertes Ziel hinausgehen - den Schutz der Zivilisten."

Sind die beiden Positionen miteinander vereinbar? Immer mehr Experten haben Zweifel - sie glauben, die USA hätten sich nach dem Irak und Afghanistan eine weitere Mission aufgehalst, die sich als langwieriger herausstellen könnte als erwartet und die militärischen Ressourcen der USA zusätzlich strapaziert.

Um zu gewinnen müsse man "nach Tripolis marschieren"

Es wird spekuliert, Obama und seine Verbündeten hofften auf eine so große Schwächung Gaddafis durch die Luftangriffe, dass es zu einer Revolte aus den eigenen Reihen gegen ihn kommt. Dies und die Stärkung der Rebellen könnte Libyen eine Zukunft ohne den brutalen Machthaber öffnen, formulierte es ein Regierungsbeamter. Insbesondere viele Militärexperten halten so ein Szenario aber für zu optimistisch. Gaddafi könne durch die Luftangriffe allein nicht von der Macht vertrieben werden, fürchten sie. Außerdem gebe es bisher kein Konzept dafür, wie es danach weitergehen soll.

Die "New York Times"Frage zweifelt, ob die USA und ihre Verbündeten genug investieren, um den Kampf zu gewinnen. Micah Zenko vom Institut Council on Foreign Relations meint: bis jetzt nicht. Eine Flugverbotszone allein werde nicht ausreichen, um Gaddafi loszuwerden, sagt er. Dazu müsse man schon "nach Tripolis marschieren".

Der Einsatz von Bodentruppen kommt für Obama aber nicht in Frage, er hat schon genug Mühe, die US-Bevölkerung in Sachen Afghanistan einigermaßen bei der Stange zu halten. Und unter keinen Umständen wolle man nach dem Irak erneut den Eindruck erwecken, "dass dies ein anderer Versuch der USA ist, militärische Gewalt anzuwenden, um einen Wandel in der arabischen Welt zu erreichen", erläutert der demokratische Senator Jack Reed. Was also ist das Ziel?

Republikaner fordern Erklärung der Libyen-Strategie

US-Generalstabschef Mike Mullen baut schon einmal vor. Auf die Frage, ob die Militäraktion auch dann als erfolgreich bewertet werden könne, wenn sie nicht zu Gaddafis Sturz führt, sagte der Admiral: "Das ist gewiss ein möglicher Ausgang."

Andere sehen das anders. Der parteilose Joe Lieberman meint, Obama habe sich mit seiner Forderung nach Gaddafis Abgang selbst die Hände gebunden. Eine Militäroperation, die nicht zu seinem Machtverlust führt, würde unweigerlich als Fehlschlag interpretiert. "Sobald der Präsident sagt, dass Gaddafi gehen muss, und wir nicht mit unseren Verbündeten sicherstellen, dass Gaddafi geht, leidet Amerikas Glaubwürdigkeit und Prestige weltweit", zitiert die "USA TODAY" den Senator.

Die Republikaner kosten Obamas offensichtliches Problem weidlich aus. Sie sagen, die Erfolgschancen der "Operation Odyssey Dawn" wären größer, hätte Obama nicht Wochen gebraucht, sich zum Handeln durchzuringen. Und sie wollen Klartext vom Präsidenten. "Die Regierung hat die Verantwortung, für das amerikanische Volk, den Kongress und unsere Truppen zu definieren, was die Mission in Libyen ist, und besser zu erklären, welche Rolle die USA beim Erreichen des Zieles haben und wie es erreicht werden kann", sagt der republikanische Parlamentspräsident John Boehner.

Stephen Hadley, einstmals Sicherheitsberater von Präsident George W. Bush, stößt in dasselbe Horn. "Was der Präsident darüber sagt, was wir als eine Nation tun wollen, passt nicht mit dem zusammen, was der UN-Sicherheitsrat erlaubt und was wir an Ressourcen bereitstellen wollen", sagt der Republikaner. "Ich kann nicht recht sehen, was die Libyen-Strategie ist."

dpa