Krieg in Libyen - Gaddafi spricht von "neuen Nazis"
Libyens Staatschef Gaddafi schäumt. Eine Armada von Flugzeugen und Schiffen nimmt sein Land unter Beschuss. Bomben und Raketen zielen auf Luftabwehr, Panzer und Truppen. Die internationale Militäroperation "Odyssey Dawn" setzt eine Flugverbotszone durch.

Krieg in Nordafrika: Eine internationale Streitmacht hat Libyen angegriffen, um Gewalt von Machthaber Muammar al-Gaddafi gegen das eigene Volk zu unterbinden. Zwei Tage nach Verabschiedung der Resolution im UN-Sicherheitsrat drangen französische und britische Kampfflugzeuge in den libyschen Luftraum ein.

Später am Samstag und Sonntag feuerten Tarnkappenbomber, U-Boote und Kriegsschiffe aus den USA und Großbritannien mindesten 110 Marschflugkörper und Bomben auf mehrere Dutzend Ziele entlang der Mittelmeerküste. 19 US-Kampfflugzeuge haben am Sonntag Angriffe in Libyen geflogen. Ziel waren libysche Flugabwehr, bestätigte ein Sprecher des US African Command in Stuttgart der dpa. Die Flugverbotszone sei "wirksam eingerichtet", verkündete US-Generalstabschef Mike Mullen im Fernsehsender CNN.

Die NATO ist tief gespalten

In Washington und London wurde die erste Angriffswelle als Erfolg bezeichnet. Mehrere Länder bedauerten dagegen den Einsatz militärischer Gewalt, aus Russland kam scharfe Kritik. Auch China und Indien bedauerten den Waffengang.

Der internationale Einsatz stützt sich auf eine UN-Resolution, die den Einsatz aller notwendigen Mittel erlaubt, um die libysche Zivilbevölkerung vor den Angriffen der Gaddafi-Truppen zu schützen. Der UN-Sicherheitsrat hatte sie in der Nacht zum Freitag verabschiedet. Deutschland hatte sich enthalten. Die Bundesregierung lehnt den Einsatz deutscher Soldaten in Nordafrika ab.

Die NATO bleibt bei der Aktion außen vor. Bei mehreren Sondersitzungen konnten sich die ständigen Nato-Botschafter am Sonntag in Brüssel nicht auf ein Mandat zur Überwachung der Flugverbotszone in Libyen einigen. Mehrere Länder hätten Bedenken, berichteten Diplomaten. Die Gespräche über eine Beteiligung des Militärbündnisses sollen die ganze Nacht durch andauern. Diplomaten sprachen von einer tiefen Spaltung der Allianz. Ob sich die Nato bald auf eine gemeinsame Linie einigen könne, sei offen.

Gaddafi greift weiterin Rebellen an

Ungeachtet des internationalen Eingreifens setzten die Truppen des libyschen Staatschefs ihre Angriffe auf Regimegegner fort. Schwere Kämpfe wurden vor allem aus der rund 200 Kilometer östlich von Tripolis gelegenen Stadt Misurata gemeldet. Die Stadt würde von drei Seiten mit Artilleriegeschützen beschossen, sagte ein Bewohner der BBC. Panzer würden ins Stadtgebiet vorrücken. Auch Wohngebiete lägen unter schwerem Feuer. Ein Sprecher der Rebellen sagte, Misurata werde in Grund und Boden geschossen. Die Lage für die Zivilbevölkerung werde dort immer dramatischer.

Noch vor Beginn des internationalen Militäreinsatzes hatten Gaddafis Truppen einen Überraschungsangriff auf Bengasi unternommen. Die Kämpfe reichten bis dicht ans Zentrum der Stadt heran, konnten von den Aufständischen aber abgewehrt werden. Mindestens 90 Menschen kamen dabei ums Leben, sagten Krankenhausärzte dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira.

Gaddafi kündigte einen "langen, ruhmreichen Krieg" gegen die "Kreuzritter" und "neuen Nazis" an. Eine Million Libyer würden dafür bewaffnet. Das ganze Mittelmeer werde dabei zum "Schlachtfeld", drohte er. Die Gegner bezeichnete er als "Monster" und "Kriminelle". "Ihr werdet stürzen, wie Hitler gestürzt ist. Alle Tyrannen stürzen." Am Sonntag erklärte Gaddafi in einer nur im Ton vom Fernsehen übertragenen Rede: "Dies ist nun eine Konfrontation des libyschen Volkes mit Frankreich, Großbritannien und den USA, mit den neuen Nazis."

Opferzahlen "Propaganda"

Nach Angaben der libyschen Behörden wurden bei den Angriffen der westlichen Allianz 64 Menschen getötet und 150 weitere verletzt. Diese Behauptung des Gaddafi-Regimes bezeichnete der britische Verteidigungsminister Liam Fox als Propaganda. Die Angriffe seien mit sehr exakten Waffen ausgeführt worden, "die so konstruiert sind, dass sie Opfer unter Zivilisten oder andere Kollateralschäden minimieren", sagte er.

Russland kritisierte den Einsatz scharf. Durch Luftschläge auf Brücken und andere nicht rein militärische Ziele seien auch mindestens 48 Zivilisten ums Leben gekommen. Solche Angriffe seien von der UN-Resolution nicht gedeckt, erklärte das Außenministerium in Moskau nach Angaben der Agentur Interfax.

Russland und China hatten sich - wie Deutschland - bei der Abstimmung über die UN-Resolution enthalten. In Berlin forderte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) Gaddafi auf, den von der Internationalen Gemeinschaft verlangten Waffenstillstand einzuhalten.
 

dpa