Guter Tag in Japan: Zwei Menschen gerettet
Durchatmen am Horror-Reaktor Fukushima: Die Techniker machen erste echte Fortschritte. Durch Kabel in den Trümmern fließt Strom. Doch diesem Lichtblick stehen düstere Nachrichten über verstrahlte Lebensmittel und immer höhere Opferzahlen gegenüber.

Der Kampf auf Leben und Tod gegen die Kernschmelze am japanischen Atomkraftwerk Fukushima zahlt sich aus. Technikern gelang es am Wochenende, die Reaktorblöcke 5 und 6 der havarierten Atomanlage zu kühlen und zu stabilisieren. Zuvor war eine Notstromleitung zu dem Kernkraftwerk gelegt worden. Damit sei ein sogenannter "cold shutdown" gelungen: Der ausgeschaltete Reaktor wurde wieder ausreichend gekühlt. Die Temperatur ist so niedrig, dass keine Gefahr mehr droht. Auch am Block 2 gelang es, Stromkabel zu legen.

Gegen die mögliche Kernschmelze in Block 3 setzen die Helfer weiter vor allem auf Wasserwerfer. Rettungsmannschaften versprühten am Sonntag (Ortszeit) insgesamt 13 Stunden lang erneut Tonnen von Wasser, wie Kyodo berichtete. Zwischenzeitlich sei der Druck im Reaktor gefährlich hoch gestiegen. "Das war eine sehr gefährliche und schwierige Aufgabe", sagte einer der beteiligten Feuerwehrmänner, Toyohiko Tomioka, auf einer Pressekonferenz. "Überall lagen Trümmer herum. Den Mitgliedern des Teams war die Gefahr der Verstrahlung sehr bewusst."

IAEO sorgt sich um verstrahltes Essen

Bei Milch und Spinat wurden erneut stark verstrahlte Produkte entdeckt. Diese Lebensmittel seien aber nicht in den Verkauf gekommen, sagte ein Regierungssprecher. Die Regierung wolle am Montag entscheiden, ob sie eine Verordnung zu entsprechenden Agrarprodukten erlasse. In der Präfektur Tokio und in weiteren Verwaltungsregionen wurde eine geringe Belastung des Trinkwassers mit radioaktivem Jod festgestellt. Das Gesundheitsministerium erklärte, davon gehe keine Gesundheitsgefahr aus.

Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA sorgt sich um radioaktiv verseuchte Lebensmittel aus der Region um das Atomkraftwerk Fukushima Eins. Der IAEA lagen Daten über mit Jod 131 belasteter Milch vor, die mit 900 bis 1500 Becquerel pro Kilogramm weit über den von den japanischen Grenzwerten für den Verzehr lagen (100 bis 300 Becquerel pro Kilogramm). Bei Frühlingszwiebeln lagen die Jod-131-Werte zwischen 110 und 6100 Becquerel pro Kilo, bei Spinat zwischen 8400 und 15 000 Becquerel pro Kilogramm. Während japanische Behörden den Grenzwert bei Blattgemüse bei 2000 Becquerel pro Kilo ansetzen, rät die Weltgesundheitsorganisation WHO zu einem generellen - weitaus geringeren - Grenzwert von 100 Becquerel pro Kilo.

Oma und Enkel nach neun Tagen gerettet

Auch bei den Rettungsarbeiten gab es am 9. Tag nach der Katastrophe gute Nachrichten. Einsatzkräfte bargen am Sonntag eine 80-jährige Frau und ihren 16 Jahre alten Enkel aus einem zerstörten Haus. Das japanische Fernsehen NHK berichtete breit über die beiden. Großmutter Sumi Abe und Enkel Jin Abe wirkten geschwächt, hätten jedoch auf Fragen der Polizei reagiert. Der Jugendliche soll an Unterkühlung leiden.

Als die Erde bebte, seien Enkel und Großmutter in der Küche gewesen, berichtete der 16-Jährige Helfern im Krankenhaus. Seine Großmutter wurde unter schweren Möbelstücken eingeklemmt. Die beiden hätten sich dann von Joghurt und anderen Dingen, die in einem Kühlschrank lagen, ernährt. In den ersten Tagen hatte der Junge noch mit seiner Mutter telefonisch Kontakt. Erst am Sonntag gelang es ihm, sich aus den Trümmern des Hauses zu befreien und auf dem Dach nach Hilfe zu rufen. Ein Suchtrupp der Einsatzkräfte habe ihn entdeckt.

Steigende Opferzahlen, frierende Menschen

Die Zahl der Toten und Vermissten nach der Naturkatastrophe stieg weiter: Mindestens rund 8400 Menschen seien bei dem Erdbeben der Stärke 9 und dem nachfolgenden Tsunami gestorben, teilte die Polizei nach Angaben des Fernsehsenders NHK mit. 12 272 gelten offiziell als vermisst. Die Katastrophe vom 11. März ist damit das größte Unglück in der Geschichte Japans seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach unterschiedlichen Angaben sind 360 000 bis 400 000 Menschen in Notunterkünften unterbracht. Ihnen fehlt es an Versorgung mit dem Nötigsten.

Die anhaltende Kälte machte am Wochenende den Menschen in den Katastrophengebieten weiter zu schaffen. Vor allem die vielen Alten in den Flüchtlingslagern sind erschöpft. Zwar treffen allmählich Hilfsgüter ein und die Reparaturarbeiten, etwa an Gas- und Wasserleitungen, laufen. Doch oft mangelt es noch an ausreichend Heizöl und Öfen. Dem japanischen Sender NHK zufolge fehlen vielerorts Lebensmittel.

dpa