Internationaler Militäreinsatz gegen Gaddafi startet
Libyens Staatschef Gaddafi nutzt auch die letzten Stunden vor einem internationalen Militäreinsatz noch für Angriffe auf die Rebellen. Doch damit ist laut Frankreichs Präsident Sarkozy jetzt Schluss. Die UN-Resolution gegen das Gaddafi-Regime wird umgesetzt.

Kampfflugzeuge einer internationalen Koalition zur Durchsetzung des UN-Flugverbots über Libyen sind am Samstagnachmittag in den Luftraum des nordafrikanischen Landes eingedrungen. Sie würden jegliche Angriffe der Truppen von Staatschef Muammar al-Gaddafi gegen die eigene Bevölkerung unterbinden, teilte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy nach einem Sondergipfel in Paris mit. Bis zuletzt hatten Gaddafis Truppen die Aufständischen-Hochburg Bengasi im Osten des Libyens angegriffen. Der exzentrische Machthaber warnte in Briefen an führende Politiker vor den Folgen eines militärischen Eingreifens in seinem Land.

Bengasi sei mit Artillerie und Panzergranaten beschossen worden, berichteten Augenzeugen. Auch Kampfflugzeuge seien über das Stadtgebiet geflogen. Ein Militärjet wurde abgeschossen - unklar war, ob er den Rebelleneinheiten oder den Regierungstruppen gehörte.

Arabischen Medien zufolge drangen Gaddafi-Truppen in die südlichen Vorstädte von Bengasi ein. Ein Reporter des US-Mediums "Christian Science Monitor" berichtete von Feuergefechten in der Stadt. Seiner Einschätzung zufolge waren leichter bewaffnete, unmotorisierte Kommandoeinheiten des Regimes über Nacht ins Stadtinnere vorgedrungen. Der Korrespondent des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira sprach von einer "unübersichtlichen Lage".

Sarkozy: Gaddafi kann noch einlenken

Der Vorsitzende der provisorischen Gegenregierung in Bengasi, Mustafa Abdul Dschalil, sagte Al-Dschasira, die Gaddafi-Truppen hätten mit ihren Panzern und Geschützen Wohngebiete beschossen. Es gebe viele Opfer, in den Krankenhäusern herrsche großer Andrang. Korrespondenten berichteten später aus der Stadt, dass sich der Kampflärm wieder entfernt habe, was darauf hindeute, dass die Verteidiger den Vorstoß der Gaddafi-Truppen abgewehrt hätten.

Die Führung in Tripolis stritt derweil ab, Bengasi angegriffen zu haben. Die Truppen am Rand der Stadt hätten nach angeblichen Attacken der Rebellen "in Selbstverteidigung" gehandelt, hieß es in einer Erklärung der staatlichen Nachrichtenagentur Jana. Gaddafis Streitkräfte waren am Freitagabend, wenige Stunden nach einer Waffenstillstandserklärung des Regimes, aus über 100 Kilometer Entfernung kommend auf Bengasi vorgerückt.

Nach Angaben Sarkozys ist es für ein Einlenken des Regimes noch nicht zu spät. Ein sofortiger Waffenstillstand könne für Gaddafi das Schlimmste noch verhindern, sagte er nach dem Sondergipfel mit zwei Dutzend Spitzenpolitikern aus aller Welt in Paris. Ansonsten stünden Kampfflugzeuge für Militärschläge bereit.

Brief von Gaddafi an Obama

Zuvor hatte Gaddafi in Briefen an verschiedene Staatsführer vor einem Eingreifen gewarnt. Wenn die Westmächte eine Militärintervention gegen Libyen starteten und sich in die Angelegenheiten des Landes einmischten, würden sie dies "bedauern". Sie würden "unkalkulierbare Risiken für das Mittelmeer und Europa in Kauf nehmen", drohte Gaddafi.

Die in der Nacht zum Freitag vom Weltsicherheitsrat beschlossene Verhängung eines Flugverbots über Libyen bezeichnete er als nichtig. "Die Resolution steht im Widerspruch zur UN-Charta, die jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedslandes verbietet", hieß es in dem Schreiben, das an den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, den britischen Premierminister David Cameron und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon adressiert war.

Gaddafi schrieb einen weiteren Brief an US-Präsident Barack Obama, in dem er diesen seinen "Sohn" nannte. "Selbst wenn Libyen und die USA - Gott verbiete es - in den Krieg miteinander treten, wirst Du für immer mein Sohn bleiben", hielt Gaddafi fest. Auch in diesem Schreiben versteifte er sich auf die Behauptung, in Libyen nicht Gegner seiner Diktatur, sondern das ganz Nordafrika umspannende Terrornetz Al-Kaida zu bekämpfen. "Was würdest Du tun, wenn Du sie in bewaffneter Kontrolle über amerikanische Städte vorfändest? Wie würdest Du Dich verhalten, damit ich Deinem Beispiel folgen kann?", schloss der Brief an Obama.

dpa