Gaddafi knickt vor UN-Sicherheitsrat ein
Der libysche Außenminister Mussa Kussa hat am Freitag einen sofortigen Waffenstillstand sowie die Einstellung aller Kampfhandlungen angekündigt. Wenige Stunden zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat in New York einer Flugverbotszone über Libyen zugestimmt. Mussa verurteilte diese Maßnahme bei seiner im Fernsehen übertragenen Erklärung in Tripolis. Libyen sei darüber "sehr traurig".

"Die Republik Libyen unternimmt alles, um die Zivilbevölkerung zu schützen und ihr die benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen", führte Kussa weiter aus. Libyen sei bereit zum Dialog, sagte der Minister, ohne Details zu nennen. Noch kurz vor der Erklärung Kussas hatten libysche Truppen einen neuen Angriff gegen die von Rebellen gehaltene Stadt Misurata gestartet.

Bei dem vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Flugverbot über dem nordafrikanischen Land ist militärisch fast alles möglich - bis auf einen Einsatz von Bodentruppen. Die Vetomächte Russland, China sowie Indien, Brasilien und auch Deutschland enthielten sich bei der Abstimmung in New York.

Die Nato berät bei einem Krisentreffen über die Flugverbotszone über Libyen. Die ständigen Nato-Botschafter kamen am Freitag im Hauptquartier der Allianz in Brüssel zusammen. Das berichteten Diplomaten. Das Militärbündnis reagiert damit auf die Libyen-Entscheidung der Vereinten Nationen (UN). Es sollten Planungen für "alle Eventualitäten" vorangetrieben werden, berichtete eine Nato-Sprecherin. Von Luftschlägen war zunächst explizit nicht die Rede.

Belgien und Großbritannien schicken Flugzeuge

Großbritannien kündigte bereits an, einen Militäreinsatz in Libyen vorzubereiten. In den nächsten Stunden würden Kampfflugzeuge auf Militärstützpunkte in der Region verlegt, um sich an einem internationalen Einsatz zu beteiligen, sagte Premierminister David Cameron im Parlament in London. Belgien ist zum Einsatz von sechs Kampfbombern des Typs F16 bereit.

Seit Februar sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR etwa 300 000 Menschen aus Libyen geflohen. Davon gingen rund 160 000 nach Tunesien und 130 000 nach Ägypten. Das teilte die Organisation am Freitag in Genf mit. Angesichts der unsicheren Lage sei mit weiteren Flüchtlingswellen zu rechnen, ergänzte eine Sprecherin.

Internationale Hilfsorganisationen haben bisher mehr als 50 000 Menschen an der Grenze zu Tunesien und Ägypten betreut und sie dann zum größten Teil in ihre Heimatländer gebracht. Das gab die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Freitag ebenfalls in Genf bekannt. Zehntausende weitere Menschen seien mit Flugzeugen und Schiffen ihrer Heimatländer ausgereist.

Menschen fliehen aus Libyen

Wegen der fortdauernden Kämpfe reißt der Flüchtlingsstrom nicht ab. "Der Trend läuft klar darauf hinaus, dass weitere Menschen aus Libyen die Grenzen überqueren", sagte ein UNHCR-Sprecher. Alleine am Donnerstag seien es fast 1500 gewesen. Sie seien vor allem aus Angst geflohem, zwischen die Fronten der kämpfenden Regierungstruppen und Rebellen zu geraten.

Nach IOM-Schätzungen befinden sich noch immer zwischen einer und 2,5 Millionen Menschen, die vornehmlich aus dem südlichen Afrika in Libyen Arbeit gefunden hatten, im Lande. Viele wollten ebenfalls über die Grenzen, könnten dies aber entweder wegen der Kämpfe oder wegen der wachsenden Zahl von Straßensperren nicht. IOM und UNHCR appellierten an die Nachbarn Libyens, die Grenzen ungeachtet der noch anschwellenden Flüchtlingsströme weiter offen zu halten.

Zu den Flüchtlingen gehören auch Palästinenser mit ihren Familien, die in Libyen gearbeitet haben und nun nach Ägypten wollten, erklärte eine UNHCR-Sprecherin weiter. Sie bekämen aber keine Einreisegenehmigung. Die UN-Organisation sei mit Ägypten darüber im Gespräch.

Deutschland beteiligt sich nicht an Kampfeinsätzen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) haben die deutsche Haltung verteidigt, sich nicht an einem Militäreinsatz in Libyen zu beteiligen. Die Entscheidung für eine Enthaltung im UN-Sicherheitsrat sei der Bundesregierung nicht leicht gefallen, sagte Westerwelle am Freitag in einer Regierungserklärung im Bundestag.

"Wir verstehen diejenigen, die sich aus ehrenwerten Motiven für ein internationales militärisches Eingreifen in Libyen ausgesprochen haben", betonte er. In der Abwägung der Argumente sei die deutsche Regierung aber zum Ergebnis gekommen, dass die Risiken und Gefahren überwögen. "Wir werden uns nicht mit deutschen Soldaten an einem solchen Militärkampfeinsatz in Libyen beteiligen."

Westerwelle erklärte: "Wir fiebern mit den Menschen (in Libyen)." Deutschland wisse, dass die Notwendigkeit bestehe, sie zu schützen und den Druck auf Diktator Gaddafi zu erhöhen. Dazu gehörten politischer Druck und Sanktionen - zudem müsse dafür gesorgt werden, dass Geldströme nach Libyen eingefroren würden.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Freitag nach Teilnehmerangaben in einer Sondersitzung der Unionsfraktion zur Lage in Libyen, sie glaube, dass eine Luftoperation über Libyen "nicht hundertprozentig durchdacht" sei. "Wir wünschen unseren Bündnispartnern viel Erfolg, weil wir die gleichen politischen Ziele verfolgen. Aber wir sind halt anderer Ansicht, was die Erfolgsaussichten des Einsatzes angeht", wurde sie zitiert. "Unsere Herzen sind schwer. Das ist keine leichte Entscheidung, aber man muss immer bedenken, was am Ende passiert."

Wenig Kritik von der Opposition

Zur deutschen Enthaltung im Sicherheitsrat sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel in Stuttgart: "Ich kann die Haltung von Herrn Westerwelle schon verstehen." Eine Militäraktion in Libyen berge eine Eskalationsgefahr. Wer in ein Land hineingehe, müsse auch wissen, wann die Intervention beendet sei. Die Erfahrung in Afghanistan zeige, wie schwierig das sei.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, sagte allerdings der Nachrichtenagentur dpa auch, dass es bisher üblich gewesen sei, in Krisen ein möglichst gemeinsames Vorgehen der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen. "Es war deshalb ein Fehler, dass Außenminister Guido Westerwelle die Drohung mit einer Flugverbotszone kategorisch ausgeschlossen hat."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nannte es überfällig, dass mit der UN-Resolution die Sanktionen für Libyen verschärft werden. "Man muss Gaddafi den Ölhahn wirklich abdrehen." Die Grünen stünden einer militärischen Intervention aber weiter skeptisch gegenüber.

Die Vorsitzenden von Linkspartei und -fraktion, Gesine Lötzsch, Gregor Gysi und Klaus Ernst, kritisierten das Vorgehen des Sicherheitsrates scharf. Damit drohe aus dem Bürgerkrieg in Libyen ein "international geführter Krieg" zu werden. "So richtig es ist, Gaddafis mörderischem Treiben Einhalt zu gebieten, so falsch ist es, dies mit Krieg erreichen zu wollen", erklärten sie. Die Linke forderte die Bundesregierung auf, ihre Enthaltung im Sicherheitsrat nun in politisches Handeln umzusetzen und auf Großbritannien, Frankreich und die USA mäßigend einzuwirken. 

dpa