TV-Tipp: "Mordkommission Istanbul: Mord am Bosporus"
Nach der Ermordung eines Unternehmers, der zum Seitensprung im Luxushotel weilte, finden Özakin und Mustafa heraus, dass die fundamentalistisch orientierte Witwe Kontakt zu einer Frauenrechtlerin hatte.
18.03.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Mordkommission Istanbul: Mord am Bosporus", 19. März, 20.15 Uhr im Ersten

Noch vor einigen Jahren wäre das undenkbar gewesen: Ausgerechnet die stets auf Mehrheitsfernsehen bedachte ARD-Tochter Degeto gibt eine Filmreihe in Auftrag, in der fast ausschließlich Türken mitspielen. Einen Spanier gibt es zwar auch noch, aber der ist in Mannheim geboren. Und den Namen des Hauptdarstellers, Urçun Saliho?lu, kennt kein Mensch. Erol Sander aber, wie sich der in München aufgewachsene Schauspieler nennt, ist ein Star; und die Rolle des Istanbuler Ermittlers Mehmet Özakin hat diesen Status noch verstärkt. Außerdem ist Istanbul fürs hiesige Fernsehen ein völlig unverbrauchter Drehort und als Nahtstelle zwischen Orient und Okzident höchst reizvoll. Und weil die Romane von Hülya Özkan viel Raum für Stadtrundfahrten lassen, leben die Filme selbstredend auch vom Lokalkolorit.

Zusammenprall der Kulturen

"Mord am Bosporus" macht den Zusammenprall der Kulturen direkt zum Thema. Nach der Ermordung eines Unternehmers, der keineswegs auf Geschäftsreise, sondern zum Seitensprung im Luxushotel weilte, finden Özakin und sein treuer Mustafa (Oscar Ortega Sánchez) heraus, dass die überraschend gefasste und fundamentalistisch orientierte Witwe Kontakt zu einer Frauenrechtlerin hatte: Fatma Colak (Proschat Madani) berät auf ihrer Website all jene, die in ihren Ehen gedemütigt und geschlagen werden. Die Nachforschungen konzentrieren sich allerdings zunächst auf das ukrainische Zimmermädchen Ludmilla (Nadeshda Brennicke mit eindrucksvoll überzeugendem Akzent), das sich von verschiedenen Männern für seine Liebesdienste bezahlen ließ; darunter nicht nur das erste Opfer, sondern kurz darauf auch ein weiteres, ein Banker, gleichfalls mit einem Messer erstochen, dass die Zahl acht trägt. Allerdings hat es irgendjemand auch auf Ludmillas leben abgesehen.

Neben dem rätselhaften Kriminalfall und der Fernsehreise an den Bosporus tragen vor allem die Darsteller zur Kurzweiligkeit des Films bei. Sander und Sanchez werfen sich immer wieder liebevolle Bosheiten an den Kopf, und weil der Kommissar vor lauter Ermittlungen nie Zeit für seine schöne Frau (Idil Üner) hat, birgt auch diese Erzählebene viel Potenzial für humoristische Einschübe. Schade nur, dass Hülya Özkan bei Weitem nicht so produktiv ist wie Donna Leon.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).