Atomkatastrophe für Kinder: Keine leeren Worthülsen!
Die Nachrichten sind voll vom Atomdesaster in Japan. Kinder sehen die Bilder einer solchen Katastrophe im Fernsehen und im Internet oft mit Angst. Einfache Erklärungen ohne leere Worthülsen können ihnen helfen sie zu verstehen – gerade wenn sie in der Nähe von deutschen Atomkraftwerken wohnen.
17.03.2011
Von Anja Hübner

"Super-GAU: Die Lage am Atomkraftwerk Fukushima eskaliert", "Reaktorhülle in Japan bricht", "Tausende Tote und Angst vor einer Kernschmelze". Was hinter diesen Schlagzeilen steckt, ist schon für Erwachsene schwer zu verstehen. Kinder dagegen bekommen oft vor allem mit, dass etwas Gefährliches passiert ist. "Besonders wichtig in einer solchen Situation ist es, dass die Eltern die Fragen ihrer Kinder ernst nehmen", erklärt Cornelia Stenull, Redakteurin beim Kindernetz des Südwestrundfunks (SWR). "Sie dürfen nicht verharmlosen, sondern sollten sachlich erklären, was passiert ist."

Dazu gehöre es die Emotionen weitgehend aus den Erklärungen heraus zu lassen. Eltern können ihrem Nachwuchs zum Beispiel sagen, dass Japan sehr weit weg ist – und die radioaktive Wolke uns nicht bedrohe, aber dass sie für die Menschen vor Ort schon gefährlich sei.

Auf der Internetseite vom Kindernetz steht in einfachen Worten, was im Atomkraftwerk Fukushima geschehen ist: "Nach dem Unglück ist in einigen japanischen Reaktoren das Kühlwasser immer heißer geworden und dann ganz verdampft. Jetzt besteht die Gefahr, dass die Brennstäbe immer heißer werden, dann schmelzen und alle Schutzhüllen zerstört werden. Wenn das passiert, könnte gefährliche radioaktive Strahlung nach außen kommen." Und in einem weiteren Artikel ist die Radioaktivität erklärt: "Die Strahlung kann krank machen. Deshalb bringen sich viele Menschen in Sicherheit. Aber bevor sie die Region verlassen dürfen, messen Experten, ob an ihnen und ihren Kleidern radioaktive Strahlung ist."

Kinder brauchen eine heile Welt und Geborgenheit

"Leere Worthülsen wie in einigen Erwachsenennachrichten können wir uns nicht erlauben", sagt Stenull. Deswegen setzt das Nachrichtenportal auf klare Sprache und bildhafte Vergleiche. "Es ist sehr schwierig Nachrichten für Kinder zu machen – denn wir müssen alles genau hinterfragen." Eltern rät die Redakteurin sich gut zu informieren und ihre Kinder nicht zu überfordern. "Kinder brauchen auch eine heile Welt", ist Stenull überzeugt. "Die Geborgenheit in der Familie ist sehr wichtig. Sie muss beschützend für das Kind da sein."

Dem stimmt Inga Cordes zu. "Es ist wichtig, immer zu schauen, dass man die Kinder nicht überlastet und keine Ängste schürt", sagt die Leiterin des Projekts "Leuchtpol", das Fortbildungen für Erzieher zu den Themen Umwelt und Energie anbietet. Es gehöre aber auch zur frühkindlichen Bildung, dass sich schon kleine Kinder mit diesen Themen aktiv auseinander setzen – das werde in den Schulungen gelehrt. "Wenn ein Kind zum Beispiel erzählt, dass seine Eltern sagen 'Atomkraft ist schlecht', dann raten wir den Erzieherinnen sich mit dem Kind zusammenzusetzen und nachzufragen." Im Gespräch ergeben sich dann oft neue Fragen und auch andere Kinder mischen sich ein.

Ein Kindergarten nahe Biblis und das japanische Atomunglück

Besonders wichtig ist eine solche Aufklärung in den Wohngebieten in der Nähe von deutschen Atomkraftwerken. Birgit Gerats ist Erzieherin im evangelischen Kindergarten Groß-Rohrheim, etwa fünf Kilometer vom Atomkraftwerk Biblis in Hessen entfernt. Hier ist die japanische Atomkatastrophe besonders präsent. "Unsere Kinder tragen schon viele Fragen mit sich herum", erzählt sie. "Aber wir lassen sie meist mit den Fragen auf uns zukommen und beantworten sie dann."

Es gehe darum den Kleinen Wissen zu vermitteln, ihnen aber auch nicht zu viel zu erzählen, um sie nicht zu verunsichern. "Wir erklären ihnen schon, dass ein Atomkraftwerk auch gefährlich und schädlich ist und dass dadurch Krankheiten entstehen können", sagt Gerats. "Momentan sind die meisten Kinder aber eher mit der Zerstörung durch das Erdbeben und den Tsunami beschäftigt." Wie auch schon für die Opfer des Erdbebens in Haiti plant der Kindergarten eine Gemüsesuppe zu kochen, eine so genannte "Spendensuppe". Diese werde dann bei einem gemeinsamen Mittagessen mit dem Pfarrer, den Eltern und dem Bürgermeister gegessen - und der Erlös den Opfern in Japan gespendet.


Anja Hübner ist Mitarbeiterin bei evangelisch.de und freie Journalistin in Mainz und Frankfurt am Main.