Fukushima: Mit Hubschraubern gegen den Super-GAU
Mit einem riskanten Hubschraubereinsatz soll der befürchtete GAU verhindert werden. Helikopter lassen Wasser auf die freiliegenden Brennelemente im Atomkraftwerk Fukushima ab. Zudem stehen Wasserwerfer bereit und die Stromversorgung wird repariert.

Der Kampf gegen die Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Eins wird nun aus der Luft geführt: Zwei Armee-Hubschrauber warfen für ein Kühlmanöver Tonnen von Wasser über dem Reaktor 3 ab, wie der Fernsehsender NHK am Donnerstagmorgen kurz vor 10.00 Uhr (Ortszeit) live zeigte. Zusätzlich gingen Wasserwerfer in Stellung. Zudem soll die Stromversorgung wiederhergestellt werden.

Tausende Liter Wasser abgeworfen

Jeder der Hubschrauber kann Angaben des Fernsehsenders zufolge 7,5 Tonnen Wasser fassen. Die Helikopter durften demnach nach nicht über dem Kraftwerk kreisen, sondern mussten im Vorbeifliegen Wasser ablassen. Viermal ergoss sich ein riesiger Schwall über den Block 3, dessen Dach bei einer Explosion abgerissen worden war. Wie viele Tonnen Wasser die Hubschrauber des Typs CH-47 Chinook abwarfen und ob ihre Tanks voll gefüllt waren, blieb zunächst unklar. Fraglich blieb auch, wie zielgenau sie während des etwa halbstündigen Einsatzes trafen.

Die Helikopter sind nach Senderangaben mit einer Bleiplatte am Boden verstärkt, mit der die Besatzung vor radioaktiver Strahlung geschützt werden soll. Von einem Hubschrauber in mehr als 30 Kilometern Entfernung - also außerhalb der erweiterten Sicherheitszone um das AKW - aus hatte NHK das Manöver gefilmt. Anders als noch am Mittwoch hätten die gemessenen Strahlenwerte am Donnerstag einen Lufteinsatz zugelassen, erklärte Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa nach dem Manöver. Zuletzt sei eine Strahlung von 4,13 Millisievert pro Stunde gemessen worden.

Das Wasser soll die Temperatur im Kraftwerksinneren senken. Die Brennelemente in Reaktor 3 enthalten hochgiftiges Plutonium und liegen teilweise frei. Die wichtige innere Reaktorhülle des Blocks 3 sei möglicherweise beschädigt, hatte Regierungssprecher Yukio Edano am Mittwoch berichtet. Später hieß es, die Hülle sei intakt. Die Angaben der Behörden sind seit Tagen oft widersprüchlich.

Am Nachmittag will die Polizei damit beginnen, die beschädigten Reaktoren im Kernkraftwerk Fukushima Eins mit Wasserwerfern abzukühlen. Bei Reaktor 4 etwa ist das Dach noch teilweise intakt, das erschwert den Einsatz aus der Luft. Elf Spezialfahrzeuge würden eingesetzt, sagte Kitazawa.

Regierungssprecher Yukio Edano sagte am Donnerstag, die Kühlversuche in den Reaktoren 5 und 6 hätten noch nicht begonnen. Wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo weiter mitteilte, sank der Wasserstand in Block 5, der Druck stieg.

AKW-Techniker reparieren die Stromversorgung

Parallel dazu reparieren AKW-Techniker die Stromversorgung. Damit soll in einem weiteren Schritt die defekte Kühlung wieder in Gang gebracht werden. Bis zum Nachmittag könnte sie teilweise wieder stehen, meldete Kyodo unter Berufung auf die nationale Atomsicherheitsbehörde. Wie Kitzawa sagte, sind leistungsstarke Pumpen der US-Streitkräfte auf dem Weg.

Edano berichtete, Japans Ministerpräsident Naoto Kan und US-Präsident Barack Obama hätten etwa 30 Minuten lang telefoniert und "enge Zusammenarbeit" vereinbart. Obama habe versprochen, mehr Atomexperten nach Japan zu schicken.

Internationale Fachleute beurteilen die Lage äußerst kritisch: Laut der US-Atomregulierungsbehörde NRC liegen die Brennstäbe in Reaktor 4 wahrscheinlich komplett frei. Nach Einschätzung des französischen Instituts für Strahlenschutz und Nuklearsicherheit (IRSN) ist mit einer nuklearen Verseuchung größeren Ausmaßes für den Fall zu rechnen, dass die Kühlung der abgebrannten Brennelemente nicht gelingt. "In den nächsten 48 Stunden entscheidet es sich", sagte IRSN-Direktor Thierry Charles nach Angaben der Agentur AFP.

Die Situation der Flüchtlinge in Japan verschärft sich derweil. In der Präfektur Fukushima verlassen immer mehr Menschen ihre Häuser und bringen sich in Sicherheit. Wie der Fernsehsender NHK berichtete, flohen weitere 28.000 Menschen vor der Gefahr radioaktiver Verstrahlung. Weiter im Nordosten kämpfen die Menschen unterdessen gegen bittere Kälte. Benzin und Nahrungsmittel werden immer knapper.

dpa