Sorge um das japanische Atomkraftwerk Fukushima
Als Japans Regierungschef Naoto Kan knapp sechs Stunden nach dem verheerenden Erdbeben zum ersten Mal in der Geschichte des Landes den "Atomalarm" ausrief, war klar, wie ernst die Lage ist. Zwar waren die Kernkraftwerke in der Katastrophenregion wie bei Erdbeben üblich heruntergefahren worden, aber Nachrichten über einen Brand im AKW Onagawa und ein ausgefallenes Kühlsystem im Atommeiler Fukushima sorgten nicht nur in Japan für Beunruhigung.

Die Lage im Reaktor Fukushima war dramatisch, weil es nach dem Beben Probleme mit dem Kühlsystem gab. Techniker schalteten ein Notkühlsystem ein, doch auch die dafür notwendige Notstromanlage fiel aus, so dass die Anlage nur noch über Batterien lief. Experten sprachen vom einem "Station Blackout". Nach der erfolgten Schnellabschaltung ist es im Reaktorkern weiter extrem heiß - und ohne Stromversorgung funktioniert kein Sicherheitssystem mehr. In Fukushima wurden daher wegen der Gefahr eines Atomunfalls tausende Menschen in Sicherheit gebracht. In Fukushima gibt es gleich zehn Siedewasser-Reaktorblöcke. Der betroffene Block Fukushima-Daiichi-1 ist der älteste und war 1971 ans Netz gegangen.

Wie ernst ist die Lage in Fukushima?

Sven Dokter, Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), sagt unter Verweis auf Informationen aus Japan, es sei unklar, was passiert, wenn die Batterien leer sind, da der Reaktor nach dem Herunterfahren weiter gekühlt werden müsste. "Im allerschlimmsten Fall droht dann eine Kernschmelze". Die Leiterin des Bereichs Nukleartechnik beim Öko-Institut, Beate Kallenbach-Herbert, betont, dass wegen des Tsunamis auch Kühlwasser aus den Flüssen wegen der Verschlammung womöglich nicht mehr zur Verfügung stehe. Insgesamt seien die japanischen Anlagen aber so sicher wie die in Westeuropa.

Wie gefährlich war das Feuer im Atomkraftwerk Onagawa?

Bisher gibt es dort keine Informationen über radioaktive Lecks. In Onagawa gibt es drei Reaktoren, die alle Siedewasserreaktoren sind. Dabei wandelt die bei der Kernspaltung im Primärkreislauf erzeugte Wärme das Wasser in Wasserdampf, der direkt die den Strom produzierenden Turbinen antreibt. Durch das Feuer bei den Turbinen wurde der Reaktor selbst nicht gefährdet, die Flammen konnten laut der japanischen Atomsicherheitsbehörde NISA nach einigen Stunden gelöscht werden. Da es keine direkte Trennung zwischen Primärkreislauf und Turbinen gibt, hätte der Brand aber dazu führen können, dass Radioaktivität über mögliche Schäden im Turbinengebäude nach draußen dringt.

Wie erdbebensicher sind deutsche Atomkraftwerke?

"Deutsche Kernkraftwerke sind gegen die bei uns zu erwartenden Erdbeben ausgelegt", sagt Jürgen Maaß vom Bundesumweltministerium. Die Anlagen würden beim Überschreiten bestimmter sicherheitsrelevanter Grenzwerte automatisch abgeschaltet - so wie es auch in Japan geschehen ist. Auch die Schweiz betont: "Die Kernkraftwerke sind so geplant, gebaut und nachgerüstet worden, dass sie auch schweren Erdbeben widerstehen können." In Deutschland gab es zuletzt 2007 einen Brand auf einem AKW-Gelände. Das Feuer in Krümmel hatte keinen Einfluss auf den Reaktor, es trat auch keine Radioaktivität aus. Aber infolge des Trafobrands kam es zu diversen Fehlern im Ablauf, der Meiler steht seitdem fast ununterbrochen still.

Was sagen Umweltschützer und die Opposition?

Sie betonen, die Vorfälle in Japan zeigten, dass Atomkraft unverantwortlich sei. "Die Befürworter der Atomenergie unterschlagen die Sicherheitsdimensionen", sagt der frühere Umweltstaatssekretär und heutige Vorsitzende der Naturfreunde Deutschlands, Michael Müller (SPD). Es gehe nicht nur um die Eintrittswahrscheinlichkeit, die bei AKWs sehr gering sei. "Es geht, zumal in dicht bevölkerten Regionen, auch um den Schadensumfang", sagt Müller. Die Linken-Politikerin Dorothée Menzer sagt: "Diese offensichtlichen Probleme in den vom Beben betroffenen Atomanlagen führen uns - nur wenige Tage vor dem 25. Jahrestag des Tschernobyl-GAUs - erneut auf dramatische Weise vor Augen, welche unbeherrschbaren Gefahren die Atomkraft birgt."

 

dpa