Autor und geschätzter Dialogpartner: Navid Kermani
Der deutsch-iranische Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani erhält am Sonntag die Buber-Rosenzweig-Medaille. Erstmals wird ein Muslim mit dieser Auszeichnung bedacht. Sie wird von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit verliehen.
11.03.2011
Von Barbara Schneider

Erst der Skandal um den Hessischen Kulturpreis machte Kermani einer breiten Bevölkerung bekannt. Damals zogen der frühere evangelische Kirchenpräsident Peter Steinacker und sein katholischer Amtskollege, der Mainzer Bischof Karl Lehmann, gegen die Auszeichnung des Schriftstellers zu Felde. Keine zwei Jahre später ehrt die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit den Orientalisten Kermani am Sonntag in Minden mit ihrer Buber-Rosenzweig-Medaille.

Seit 1968 wird diese undotierte Auszeichnung jährlich zum Auftakt der Woche der Brüderlichkeit verliehen. Nach Preisträgern wie Friedrich Dürrenmatt, Daniel Barenboim und Johannes Rau erhält nun erstmals ein Muslim diese Ehrung. Kermani bekomme die Auszeichnung aufgrund seiner intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen islamischen Religion sowie für den intensiven Dialog mit Juden und Christen, heißt es in der Begründung. Die Gesellschaft verweist auf Kermanis "Werben um ein Verständnis von Integration, bei dem es nicht um Nivellierung, sondern um gegenseitige Akzeptanz" gehe.

Geboren in Siegen, zu Hause in Köln

Kermani, der mit seiner Frau und zwei Töchtern in Köln lebt, wurde 1967 als Sohn iranischer Eltern in Siegen geboren. Er studierte Orientalistik, Philosophie und Theaterwissenschaften in Köln, Kairo und Bonn. Er schlug eine wissenschaftliche Laufbahn ein, schrieb eine Doktorarbeit und habilitierte sich.

Kritiker würdigen Kermani als exzellenten Kenner islamischer, jüdischer und christlicher Traditionen. Seine literarische Tätigkeit ist dabei durchaus vielseitig: Er schrieb ein Kinderbuch und verfasste Theaterstücke sowie Essays, Reportagen und wissenschaftliche Abhandlungen. Inhaltlich reicht sein Schaffen von einer Erzählung über die Wirkung der Rocklegende Neil Young auf Säuglinge mit Dreimonatskolik bis hin zu theologischen Werken. Große Bekanntheit erlangte dabei sein Buch "Gott ist schön" über das ästhetische Erleben des Korans.

Affäre um Hessischen Kulturpreis

2008 war Kermani zu Gast in der Villa Massimo in Rom. Dort entstand der Text, der zur Affäre um den Hessischen Kulturpreis führte: eine meditativen Betrachtung eines Kreuzigungsgemäldes des italienischen Malers Guido Reni (1575-1642), die in der "Neuen Züricher Zeitung" erschienen war und in der er, der Muslim Kermani, die christliche Kreuzestheologie als "Gotteslästerung und Idolatrie" ablehnte.

Ein persönliches Bekenntnis, das die Mitpreisträger Steinacker und Lehmann dazu veranlasste, beim damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gegen die Auszeichnung Kermanis zu intervenieren. Zwischenzeitlich erkannte der hessische Ministerpräsident Kermani den Preis ab, ehe es dann im Herbst 2009 doch noch zur Auszeichnung kam.

"Besonnener und scharfer Denker"

Aus dem Streit, der in den Feuilletons der großen Tageszeitungen ausgetragen wurde, ging Kermani gleichwohl gestärkt hervor: Die "Süddeutsche Zeitung" etwa würdigte ihn als "besonnenen und scharfen Denker". Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, las aus dem Artikel Kermanis eine bemerkenswerte Offenheit für Aussagen der christlichen Theologie heraus.

Differenziert und pointiert hat sich der Schriftsteller immer wieder in aktuelle Debatten wie etwa die Integrationsdebatte eingemischt. 2007 berief ihn der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in die erste Deutsche Islamkonferenz. Kermani ist eine muslimische Stimme in Deutschland, die gehört wird. In der jüngsten Zeit hat sich Kermani etwas aus der aktuellen Diskussion zurückgezogen. Grund hierfür ist die Arbeit an seinem neuen Roman. 1.000 Seiten stark soll das neue Buch werden und im Herbst erscheinen.

epd