Während in Berlin ein neues Gesetz zum Pflege-TÜV auf den Weg gebracht wird, haben Wissenschaftler erstmals Instrumente entwickelt, um die Pflegequalität zu messen. Die auf 450 Seiten dokumentierten Ergebnisse des Projekts unter Leitung von Klaus Wingenfeld (Institut für Pflegewissenschaft der Universität Bielefeld) und Dietrich Engels (Kölner Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik) sollen in Kürze veröffentlicht werden.
Auftraggeber des Projekts "Pflegequalität" ist die Bundesregierung. Es startete zeitgleich mit der Einführung des Pflege-TÜV vor zwei Jahren. Dabei sollen Antworten auf die Fragen "Was ist gute Pflege? Woran erkennt man sie?" gefunden werden, um dann mehr Transparenz und Qualität in der Pflege anzustreben.
Bisher bildeten die Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Kassen (MDK) die Basis des umstrittenen Pflege-TÜV. Aus den 64 Einzelnoten errechnet sich der Durchschnitt als Gesamtnote. Bewohner werden zwar befragt, doch die Antworten fließen nicht in die Note ein. Gemessen werden die Rahmenbedingungen und die dokumentierten Pflegemaßnahmen und nicht die "Ergebnisqualität", die tatsächlich beim Bewohner ankommt. "Als ob man mit einem Fieberthermometer die Intelligenz messen würde", behauptete ein Kritiker des Verfahrens.
Qualitätskriterien: Wohlbefinden, Gesundheit und Selbstständigkeit
Die Forscher suchten deshalb nach neuen Indikatoren für gute Pflege und setzen auf ein Modell des Zusammenspiels von internen Befragungen und externen Qualitätsprüfungen. Für dies Mammutprojekt wurden ein Beirat und weitere Experten gewonnen sowie 46 Pflegeheime zur Praxiserprobung. Diese Einrichtungen bildeten den Durchschnitt der Heime ab, nur die kleinen mit weniger als 50 Plätzen waren unterrepräsentiert. Rund 2.000 Bewohner im Durchschnittsalter von 83 Jahren waren in die Studie einbezogen.
Die Wissenschaftler erarbeiteten 42 Indikatoren sowie die zugehörigen Messinstrumente. Anders als bei den Pflegenoten stünden das Wohlbefinden der Senioren, deren Gesundheit und Selbstständigkeit in den Einrichtung im Mittelpunkt, erläuterte Wingenfeld jüngst bei einer Fachtagung.
Neue Befragungsmethode bei Demenz
Eine wesentliche Neuerung sind die unterschiedlichen Gruppen, die je nach Grad der Beeinträchtigung gebildet werden: Frau A., die zu den durchschnittlich 50 Prozent dementen Bewohnern zählt, wird im Vergleich nicht mit dem geistig regen gelähmten Herrn B. oder der im Sterben liegenden Frau Z. "in einen Topf geworfen".
Im ständigen Praxiskontakt wurde auch die Befragungsmethode entwickelt: Bis zu einer leichten Demenz können die Bewohner selbst an Hand von Fragekärtchen in Großdruck etwa Auskunft geben, ob sie genügend Hilfe bekommen, das Essen schmeckt und sie sich respektvoll behandelt fühlen. Bei stärkerer Demenz wurden schriftlich die Angehörigen befragt.
"Zu hundert Prozent für das eigene Qualitätsmanagement umsetzbar"
Eines der mitwirkenden Heime war das Heinrich-Sengelmann-Haus in Hamburg. Pflegedienstleiterin Angele Back begrüßt, dass nun die Ergebnisqualität im Zentrum steht. Durch die "netten Leute von der Uni" fühlte sie sich in den Erhebungsphasen gut angeleitet. Die Rückmeldung, dass ihre Einrichtung bei der Mobilisierung der Bewohner unterdurchschnittlich abgeschnitten habe, nutzte sie zur Analyse der Ursachen. Und: "Toll fand ich, dass die aufwendige soziale Betreuung erfasst wird."
Das Ergebnis der Zählung, welche Bewohner welche Angebote nutzen, wurde bereits zur Verbesserung genutzt: weniger Kaffeetrinken und Klönen, mehr Singen mit der Musiktherapeutin. Für Wingenfeld und Engels sind das kleine Beispiele für den wichtigsten Effekt des neuen Ansatzes: einen Anreiz für gute Pflege zu geben.
Lob kommt auch von Kerstin Peréz, Leiterin des Evangelischen Alten- und Pflegeheims in Kirn bei Bad Kreuznach, das auch am Projekt teilnahm: "Die Ergebnisse sind zu hundert Prozent für das eigene Qualitätsmanagement umsetzbar."