Morgenandacht: 100 Jahre Internationaler Frauentag
Gedanken zur Woche, die der Deutschlandfunk am heutigen Freitagmorgen sendete: Diesmal von Pastor Matthias Viertel aus Kiel über den 100. Internationalen Frauentag.
11.03.2011
Von Matthias Viertel

Es ist schon ein besonderes Foto, das da durch das Internet verbreitet wurde. Es zeigt zwei junge Frauen, die auf einen alten, etwas martialisch aussehenden Armeelastwagen geklettert sind. Dort oben thronen sie nun, die Hände zum Siegeszeichen erhoben. Aufgenommen worden ist das Bild auf dem Tahrir-Platz in Kairo; ein Ort, der in den letzten Wochen bekannt geworden ist und schon jetzt vielen Menschen als Symbol für den demokratischen Aufbruch in der arabischen Welt gilt.

Die Frauen sind in Jeans gekleidet mit Turnschuhen; eine von ihnen trägt eine modische Brille, beide haben keine Kopfbedeckung. Sie lächeln in die Kamera und strahlen so viel Frohmut aus, dass man unwillkürlich davon angesteckt wird.

Dieser Kontrast zwischen den jungen Frauen und dem militärischen Hintergrund macht die Faszination des Fotos aus. Es stimmt hoffnungsvoll. Zwischen den Schreckensmeldungen über die Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen, die uns in diesen Tagen aus Ägypten erreichen, nun ein Bild der Hoffnung.

Internationaler Frauentag und Demokratie

Dass Frauen auf die Straße gehen und für Menschenrechte und Gleichberechtigung eintreten, ist noch gar nicht so alt. Am vergangenen Dienstag haben wir gerade zum 100. Mal den Internationalen Frauentag begangen. Ein wichtiges Datum, denn auch in unseren Breitengraden ist die Gleichberechtigung gerade mal seit ein paar Jahrzehnten etabliert. Hier sprechen wir dann meistens von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Karriere, oder wir diskutieren die Forderung nach gleichen Löhnen für gleiche Arbeit.

Eine weitergehende Bedeutung bekommt dieser Internationale Frauentag aber, wenn wir die globale Entwicklung betrachten. Gerade in jenen Ländern, in denen demokratische Rechte noch nicht zum Alltag gehören, ist das Engagement der Frauen besonders bedeutsam. Die Forderung, dass Mädchen zur Schule gehen können, dass Frauen wie Männer eine Arbeit aufnehmen, dass sie sich kleiden dürfen wie sie wollen, dass sie ihr Gesicht zeigen und auf die Straße gehen, um für ihre Rechte einzutreten – das ist nämlich zugleich auch einer der umstrittensten Punkte im Miteinander der Religionen und Kulturen.

Sind Frauenrechte typisch christliche Werte?

Vielen Menschen erscheint da der Unterschied in der Stellung der Frau als Hauptdifferenz zwischen dem Christentum und dem Islam. Aber da sollten wir nicht zu vorschnell urteilen. Auch in der christlichen Tradition tun wir uns schwer mit der Gleichberechtigung der Geschlechter. Zwar haben wir uns inzwischen – zumindest in den protestantischen Kirchen - an Pastorinnen, Pröpstinnen und Bischöfinnen gewöhnt. Unumstritten sind Frauen in geistlichen Führungspositionen aber immer noch nicht.

Und das, obwohl sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass Jesus zu seiner Zeit auch Jüngerinnen um sich scharte. Dass er aber auch eine Schwester hatte, erzeugt noch immer Erstaunen. Und wer kennt schon Priszilla, die Weggefährtin des Apostels Paulus. Wie Paulus war sie Zeltmacherin und wurde dann zur Missionarin. Die Gründung der Gemeinde in Ephesos geht zum großen Teil auf ihr Konto, und doch ist sie nur den Wenigsten bekannt. Auf Kirchen, die ihren Namen dem Apostel Paulus verdanken, treffen wir häufig, eine Priszilla-Kirche ist mir dagegen noch nie vorgekommen.

Wir sollten uns also nicht zu sehr rühmen oder gar die Frauenrechte als typisch christliche Werte ausgeben. Vielleicht ist es ja sogar so, dass sich die Religionen gerade auf diesem Wege annähern können: In dem gemeinsamen Streben der Frauen, ihr Leben gestalten zu können, ohne Bevormundung durch Männer und geistliche Obrigkeit. Das wäre dann ein wirklicher Erfolg – für die Frauen aber auch für den gelebten Glauben insgesamt und damit auch für uns Männer.


Matthias Viertel ist Pastor in Kiel. Bei dem vorstehenden Text handelt es sich um die "Gedanken zur Woche", die der Deutschlandfunk am frühen Freitagmorgen, 11. März, gesendet hat.