Papstbuch: "Großartiges Angebot für die Ökumene"
Die katholischen Bischöfe in Deutschland freuen sich über das neue Jesusbuch des Papstes. Benedikt XVI. schreibe damit die Summe seiner Theologie fort, so der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Von der Diskussion über den Band erhofft er sich neue Impulse für die Ökumene.
10.03.2011
Von Bernd Buchner

Das Buch "Jesus von Nazareth. Band II: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung" ist am Donnerstag zeitgleich in acht Sprachen erschienen. Allein in Italien liegt die Startauflage bei 400.000, in Deutschland bei 150.000. Die katholischen Bischöfe im Land der Reformation sind schon vorab höchst erfreut über das Werk Joseph Ratzingers. Von einem "großartigen Angebot für die Ökumene" sprach Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Buchpräsentation in Frankfurt am Main. "Es lohnt sich, in dieses Buch hineinzuschauen."

Benedikt XVI., so der Freiburger Oberhirte, sehe die auf drei Bände berechnete Biografie als Abschluss seines theologischen Wirkens. Aber in welcher Rolle schreibt er, als Wissenschaftler oder als unfehlbarer Nachfolger Petri? "Ein Gelehrter spricht in diesem Buch zu uns", erläutert Zollitsch, "nicht das Lehramt". Er hoffe, dass das Buch, wie schon der erste, 2007 erschienene Band, "für möglichst viele Menschen Impuls und Anregung ist, sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen".

Wie verstand sich Jesus eigentlich?

Die Frage nach dem historischen Jesus ist so alt wie der Glaube an Christus. Ratzinger hatte in seiner "Einführung ins Christentum" von 1968, die zum Standardwerk wurde, notiert: "Wir müssen langsam vorgehen. Wer war eigentlich Jesus von Nazareth? Wie verstand er sich?" Von dieser Frage gehe das Buch aus, so der Freiburger Erzbischof Zollitsch: Nur wenn Jesus tatsächlich Gottes Sohn und wahrhaft auferstanden sei, "hat er eine existenzielle Bedeutung für uns".

Das aber setzt auch der theologischen Interpretation der neutestamentlichen Schriften Grenzen – und schränkt die Bitte des Papstes ein, ihn ruhig für sein Buch und dessen Deutungen zu kritisieren. Benedikt XVI., so sagt Robert Zollitsch freimütig, erwarte von den Exegeten, dass sie die Bibel nicht nur auf rein philologischer Ebene analysieren, sondern helfen, die Evangelien "aus der Perspektive des Glaubens" zu lesen und zu verstehen. Das aber verträgt Wissenschaft nicht, hier sind die Grenzen der Theologie angedeutet.

"Spannung zwischen den Evangelien"

Besondere Beachtung finden natürlich angesichts der jüngsten katholisch-jüdischen Verstimmungen jene Buchpassagen, die sich mit dem Judentum befassen. "Man kann Jesus Christus nur verstehen von seinen Wurzeln, vom Judentum her", so deutet Zollitsch (Foto links, bei der Buchvorstellung in Frankfurt am Main) die Haltung des Papstes. Dieser lasse etwa keinen Zweifel daran, dass die Juden keine Schuld am Kreuzestod Jesu treffe. In der viel diskutierten Frage, ob das letzte Abendmahl ein jüdisches Passahmahl war, räumt der Erzbischof eine "Spannung zwischen den Evangelien" ein.

Auch mit Blick auf das Miteinander der Konfessionen finden sich in der Jesusbiografie zahlreiche Anknüpfungspunkte. So äußert sich der Papst betont freundlich über die evangelische Rechtfertigungslehre, einen der zentralen Streitpunkte der Reformationszeit. Er zitiert eine Reihe lutherischer Theologen, den evangelischen Jesusbiografen Joachim Ringleben nennt er im Vorwort sogar einen "ökumenischen Bruder". Zollitsch spricht von einem "großartigen Angebot für die Ökumene", das mit dem Buch verbunden sei. Er sei gespannt, wie es gerade dort aufgenommen werde.

Papst gegen Besserwisser

Die päpstliche Angriffslust richtet sich in dem Band nicht gegen Glaubensgeschwister, sondern eher gegen die säkulare Welt. "Das Geheimnis der Sühne darf keinem besserwisserischem Rationalismus geopfert werden", heißt es dort beispielsweise. Auf den 352 Seiten findet sich viel theologischer Diskussions- und Zündstoff, vor allem auch bei der Interpretation des Kreuzestodes, den Benedikt XVI. als "kosmisches und liturgisches Ereignis" sieht. In einem hat Erzbischof Zollitsch auf jeden Fall recht: "Es lohnt sich, in dieses Buch hineinzuschauen".

Joseph Ratzinger / Benedikt XVI: Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung, Freiburg i.Br. 2011. Verlag Herder, 368 Seiten, 22 Euro.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für das Ressort Kirche + Religion.