Papst legt neues Jesusbuch vor: Absage an Judenmission
Im zweiten Band seiner Jesusbiografie, die an diesem Donnerstag erscheint, wirft Papst Benedikt XVI. eine Reihe von historisch und theologisch brisanten Fragen auf. Er erteilt der Judenmission eine klare Absage, löst aber Jesus zum Teil aus seinem jüdischen Kontext heraus. In der Rechtfertigungslehre macht er sich sogar evangelische Positionen zu eigen. Das Buch dürfte intensive Diskussionen auslösen.
09.03.2011
Von Bettina Gabbe und Bernd Buchner

Im Unterschied zu seinem Vorgänger Johannes Paul II. geht Papst Benedikt XVI. im Urlaub nicht in den Alpen wandern oder Skifahren, sondern zieht sich lieber in seine Sommerresidenz vor den Toren von Rom zum Schreiben theologischer Bücher zurück. Zum Bestsellerautor wurde der ehemalige Theologieprofessor allerdings erst, nachdem er zum Oberhaupt von einer Milliarde Christen aufgestiegen war.

So wird auch der am Donnerstag erscheinende zweite Band seiner Jesustrilogie mit dem Untertitel "Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung" (Herder Verlag) vermutlich wieder zum Publikumsrenner, obwohl der Pontifex darin ausgiebig Fachausdrücke verwendet und theologische Kenntnisse voraussetzt. Die Startauflage liegt bei 150.000. Der 2007 erschienene erste Band über das Leben von Jesus Christus "Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung" verkaufte sich weltweit millionenfach.

Kleine Handschrift, wenig Zeit

Noch immer schreibt Benedikt an Buchmanuskripten in seiner äußerst knapp bemessenen freien Zeit mit spitzem Bleistift in einer altmodisch anmutenden, schwer leserlichen Handschrift. Dabei hat er nicht nur katholische sondern auch lutherische Forschungsliteratur zur Hand, aus der er sehr zur Überraschung seiner Kritiker, die ihn als allzu konservativ einstufen, ebenso gern zitiert wie er sich auf Platon, Friedrich Hegel und Karl Marx beruft.

Dabei heißt es, Joseph Ratzinger habe 1999 als Präfekt der Glaubenskongregation die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von Katholiken und Lutheranern erbittert zu verhindern versucht. In seinem neuen Buch macht er sich hingegen die Kernlehre der Protestanten, nach der der Christ nicht durch gute Werke sondern allein durch die Gnade Gottes gerechtfertigt ist, wie selbstverständlich zu eigen. Das "Ringen um eine sichtbare Einheit" ist für ihn darüber hinaus ein "dringender Auftrag für die Christen aller Zeiten und aller Orte" merkt er über die Ökumene an. Die unsichtbare Einheit "genügt nicht".

Aufsehen erregten vorab veröffentlichte Auszüge aus dem neuen Buch, in denen Benedikt XVI. die Juden vom Vorwurf freispricht, sie seien Schuld am Tode Jesu. Ausdrücklich schließt er einen "rassistischen Charakter" etwa von Äußerungen im Johannesevangelium über die Juden kategorisch aus. Im zweiten Band seiner Biografie geht der Papst über diese bereits vor 40 Jahren von der katholischen Kirche angenommene Position hinaus, indem er feststellt, die Christenpflicht zur Mission gelte nicht für Juden. Er widerlegt darin auch den Verdacht, weil er die Exkommunikation für Bischöfe der schismatischen Piusbruderschaft 2009 aufgehoben hatte, teile er deren äußerst negative Einstellung zum Judentum.

War das Abendmahl eine Passahfeier?

Revolutionären, die sich durch die gewaltsame Reinigung des Tempels durch Jesus legitimiert sehen, erteilt Benedikt XVI. als Buchautor ebenso eine Absage wie Schuldzuweisungen gegen das Judentum. "Die grausamen Folgen religiös motivierter Gewalt stehen allzu drastisch vor unser aller Augen", schreibt Ratzinger ohne islamischen Fundamentalismus explizit zu benennen. Gewalt sei ein "Lieblingsinstrument des Antichrist - wie religiös idealistisch sie auch motiviert sein mag".

Für theologische Diskussionen dürfte die Deutung des Abendmahls durch den Papst sorgen. Benedikt XVI. sieht in dem Mahl, das Jesus am Abend vor seinem Tod mit den Jüngern feiert, ausdrücklich kein Sedermahl, wie es bei den Juden zum Passahfest Brauch ist. Damit folgt er der Darstellung im Johannesevangelium und stellt sich gegen glasklare Passagen bei den Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas, den sogenannten Synoptikern (etwa Mk 14,12). Gegen die päpstliche Interpretation hat es bereits Widerspruch gegeben, etwa durch den Rektor des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs, Walter Homolka.

Protestantische Positionen übernommen

Mehrfach zitiert das Kirchenoberhaupt in dem Buch lutherische Theologen. Der Papst macht sich auch protestantische Positionen zu eigen. So betont er die Rechtfertigung der Menschen vor Gott allein aus Gnade und nicht aufgrund guter Werke. Dies ist eine zentrale Aussage evangelischer Theologie. Doch Vorstellungen von "bedingungsloser Vergebung" weist der mit einem Doppelnamen auch als Joseph Ratzinger angegebene Autor unter Hinweis etwa auf NS-Verbrechen zurück.

Das Unrecht und "das Böse als Realität kann nicht einfach ignoriert" sondern müsse "besiegt" werden. Bei aller Ehre für lutherische Theologen und auch in der katholischen Kirche mittlerweile verehrte evangelische Märtyrer wie den im KZ hingerichteten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer legt Benedikt in dem Buch jedoch auch ein besonderes Gewicht auf die Rolle des Apostels Petrus. An der Frage des Amtes des Papstes als Kirchenoberhaupt in der Nachfolge von Petrus scheiden sich im ökumenischen Dialog aber bis heute die Geister.

Die Kindheitsgeschichten fehlen noch

Dem zweiten Band der päpstlichen Betrachtungen über den Mann aus Nazareth soll in absehbarer Zeit ein dritter folgen. In ihm soll es um die in den Evangelien überlieferten Kindheitsgeschichten Jesu gehen, die von den meisten Exegeten als Legenden angesehen werden. Bereits im Sommer vergangenen Jahres begann Benedikt XVI. mit der Arbeit an dem Buch. Wann er es abschließen kann, steht noch nicht fest.

epd/evangelisch.de