"Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen"
Aschermittwoch - der Beginn der christlichen Fastenzeit. In vielen Religionen gibt es Zeiten, in denen Menschen auf Nahrungsmittel oder bestimmte Verhaltensweisen verzichten. Oft dienen diese Zeiten des Fastens oder der Enthaltsamkeit der bewussten Vorbereitung auf wichtige Ereignisse. Auf welche Vorstellungen aber geht diese Tradition im Christentum zurück und welchen Sinn schrieb man dem Fasten ursprünglich zu? In den Fastengeschichten der Bibel lassen sich einige Hinweise finden.
08.03.2011
Von Sonja Poppe

Im Alten Testament ist das Fasten meist ein Ausdruck der bewussten Hinwendung zu Gott und ein Zeichen für Buße und Umkehr. Menschen verzichten für eine Weile auf elementare Lebensgrundlagen wie Nahrung und Wasser und kleiden sich in einfache Gewänder, um der Erkenntnis Ausdruck zu verleihen: Der eigentliche Lebensgrund ist Gott. Bevor Moses auf dem Berg Sinai von Gott die Tafeln mit den Zehn Geboten empfing, fastete er "vierzig Tage und vierzig Nächte, und aß kein Brot und trank kein Wasser" (5. Mose 9,18). Mit dem Fasten bereitete er sich auf die Gottesbegegnung vor, er nahm Abstand vom Alltagsleben und wandte sich Gott bewusst zu.

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Aber nicht nur zur Vorbereitung auf Gottesbegegnungen, auch in Zeiten der Not und Bedrängnis oder Trauer wurde gefastet. Immer aber ging es dabei um die Hinwendung zu Gott und das Bemühen, wieder eine positive Gottesbeziehung herzustellen. König David, der den Mann seiner Geliebten hatte umbringen lassen, fastete als der Sohn, den diese Geliebte ihm geboren hatte, im Sterben lag. Er "suchte Gott um des Knäbleins willen und fastete" (2. Samuel 12,16), konnte seinen Sohn aber auch dadurch nicht mehr retten.

Gott wendet sich zwar Menschen wie Moses zu, die sich ihm öffnen, aber erpressen lässt er sich durch fromme Verhaltensweisen nicht. Das erkannte auch der Prophet Jesaja und wies darauf hin, man solle sich nicht wundern, wenn Gott auf rein äußerliche Kasteiungen nicht reagiere. Wer Gott frage: "Warum fasten wir und du siehst es nicht an?" (Jesaja 58,3), der solle zunächst einmal darüber nachdenken, ob er es mit seiner Absicht zu fasten und mit seiner Hinwendung zu Gott auch wirklich ernst meine.

"Ein Fasten, an dem ich Gefallen habe"

Der Verzicht auf Nahrung, das Tragen von einfacher grober Kleidung und das Bestreuen des Kopfes mit Asche, wie es damals zur Verdeutlichung der Absicht des Fastens üblich war, und dazu vielleicht noch ein miesepetriger Gesichtsausdruck – das sei kein Fasten. Fasten bedeute vielmehr, dass man auch den Rest seines Lebens entsprechend ausrichte, respektvoll mit seinen Mitmenschen umgehe und mit ihnen teile. "Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: […] Brich mit den Hungrigen dein Brot" (Jesaja 58 6f), lässt Gott durch Jesaja verkünden.

Auch Jesus wendet sich gegen ein demonstrativ zur Schau gestelltes Fasten. "Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen", meint er und rät: "Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht […] und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten"  (Matthäus 6,16f). Anders als sein Vorgänger Johannes der Täufer, der sehr enthaltsam in der Wüste lebte, sich nur von "Heuschrecken und wilde[m] Honig" (Markus 1,6) ernährte und das bevorstehende Gericht Gottes verkündete, ging Jesus davon aus, dass das Himmelreich Gottes schon angebrochen sei. Das scheint für ihn ein Grund zur Freude und zum Feiern und kein Grund zur Selbstkasteiung gewesen zu sein. Er speiste oft und gerne mit seinen Jüngern und anderen Menschen zusammen und von seinen Gegnern wurde er sogar als "Fresser und Weinsäufer" (Mt 11,19) beschimpft.

Fasten betrifft die Einstellung zu Gott und Mitmenschen

Dennoch lehnte Jesus das Fasten nicht grundsätzlich ab. Fasten zu angemessener Zeit und mit der richtigen Einstellung könne zum Beispiel helfen, böse Geister auszutreiben (Markus 9,29), meinte er. Und Jesus hat selbst gefastet. Nachdem er von Johannes im Jordan getauft worden war, wurde er vom Heiligen Geist in die Wüste geführt. Dort fastete auch er "vierzig Tage und vierzig Nächte" (Matthäus 4,2). Ihm erscheint daraufhin jedoch nicht Gott, sondern der Teufel, der ihn versucht und von Gott abbringen will. Doch Jesus widersteht standhaft und der Teufel muss aufgeben. Erst nach dieser Zeit der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Kräften, die in einer Zeit der Konzentration und des Fastens vor Augen treten, konnte er seine Aufgabe als Wanderprediger wahrnehmen.

Diese Erfahrung Jesu zeigt: Fasten führt nicht unbedingt auf direktem Wege näher zu Gott, oft ist zunächst eine bewusste Auseinandersetzung mit den Dingen notwendig, die einem den Weg noch versperren.
Was können die biblischen Geschichten uns heute noch zum Thema Fasten mitteilen? Ernst gemeintes Fasten im christlichen Sinn bedeutet nicht nur, eine Zeitlang demonstrativ auf bestimmte Nahrungsmittel oder Verhaltensweisen zu verzichten, sondern es umfasst den ganzen Menschen und seine Einstellung zu Gott und den Mitmenschen. Dann kann das Fasten den eingefahrenen Alltag aufbrechen, Freiräume schaffen zur Auseinandersetzung mit sich, den Mitmenschen und Gott und auch mit den unangenehmen Dingen, die in dieser Zeit vielleicht ins Blickfeld geraten. Wer verzichtet und den Blick vom Gewohnten abwendet, kann sich neu orientieren und schafft Freiraum für neue Erfahrungen und für das Wesentliche.


Sonja Poppe (30) hat Religionspädagogik studiert und ein Referendariat abgeschlossen. Sie lebt bei Osnabrück und arbeitet zurzeit als freie Autorin zu theologischen Themen.