Von Cottbus bis Rio: Millionen feiern Karnevalszüge
Bei strahlender Sonne hat sich um kurz nach halb elf der Kölner Rosenmontagszug in Bewegung gesetzt. Mit 150 Wagen und 7,5 Kilometern Länge ist es der längste Karnevalszug in Deutschland. Schon lange war das Wetter nicht mehr so gut wie diesmal. Allein in Köln wurden deshalb rund 1,5 Millionen Zuschauer erwartet.

Die Motivwagen sind dieses Jahr besonders aktuell. So haben die Kölner Wagenbauer noch am Wochenende einen neuen Guttenberg-Wagen gestaltet. Unter dem Motto "Kopieren statt studieren" taucht der Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg aus einem Kopierer auf, wird aber von Angela Merkel mit einem gezielten Tritt in die Wüste befördert.

Ein besonders detailliert gestalteter Wagen mit 200 kleinen und großen Figuren zeigt das libysche Volk, das mit Sägen, Hammern und Stoßen das Kartenhaus des Gewaltherrschers Muammar al-Gaddafi zum Einsturz bringt. Unterdessen versucht US-Präsident Barack Obama, im Nahost-Konflikt ein Kamel durchs Nadelöhr zu schieben. Die Enthüllungen bei Wikileaks lassen Politiker weltweit nackt dastehen - und Stuttgart schaufelt sich mit seinem unterirdischen Bahnhof ein Millionengrab.

Sarrazin-Figur durchbohrt türkische Mutter

Zu den größten Pappkameraden im Zug gehören außerdem: Angela Merkel als bärenstarke Pippi Langstrumpf, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Balance-Künstlerin und Stefan Raab als Sonne des Eurovision-Systems. Das Motto des Kölner Zuges heißt dieses Jahr "Köln hat was zu beaten".

Gaddafi und Guttenberg sind auch im Düsseldorfer Rosenmontagszug als Pappkameraden präsent. Dort kniet Europa mit einem dicken Euro-Sack vor dem libyschen Staatschef, der triumphierend ein Ölfass hinter seinem Rücken festhält. Guttenberg schlägt mit einem Kampfjet im Kanzleramt ein - darunter steht: "Merkels 11. September".

Die Düsseldorfer, die für ihre frechen und oft auch politisch unkorrekten Wagen bekannt sind, greifen auch die Sarrazin-Debatte auf: Mit einer Lanze durchbohrt der Buchautor eine türkische Mutter mit einem voll besetzten Kinderwagen. Zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zeigen die Düsseldorfer einen Priester mit einem kleinen Jungen auf dem Schoß. Der Kommentar: "Bei uns ist jeder Tag Weltjugendtag".

Auch "Missbrauch" war kein tabu

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat auch in den Rosenmontagszügen in Düsseldorf und Mainz seinen Niederschlag gefunden. In Düsseldorf war ein Wagen zu sehen, der auf die "vorbildliche Jugendarbeit" der Kirche anspielte und zwei katholische Pfarrer mit geöffneten Armen und dem Schriftzug "Ihr Kinderlein kommet" zeigte. "Dafür ist unser Zug bekannt, dass wir auch kontroverse Themen aufgreifen", sagte der Geschäftsführer vom Comitee Düsseldorfer Carneval, Jürgen Rieck, dem epd.

Durch Mainz rollte ein Motivwagen mit einem Mönch, der dicke Aktenordner unter einen Teppich kehrt und dabei einen Bischof vom Stuhl stürzt. In Köln, Aachen und Bonn war der Missbrauch an Kindern durch Ordensleute und Mitarbeiter an kirchlichen Schulen dagegen kein Thema für die Rosenmontagszüge. In Köln würden grundsätzlich keine kritischen religiösen Themen verarbeitet, erläuterte eine Sprecherin.
 

Rio – von Gott gesegnet

Auch in Rio hat der Karneval mit dem traditionellen Defilee der besten Sambaschulen seinen Höhepunkt erreicht. Als erster von zwölf Vereinen zog "São Clemente" am Sonntagabend (Ortszeit) vor zehntausenden Zuschauern über die 800 Meter lange Paradestrecke in Rios Sambódromo. Mit gigantischen Motivwagen, rund 3.200 Trommlern und Tänzern in fantasievollen Kostümen und mit viel nackter Haut präsentierte der Club eine Hommage an Rio, die "Cidade Maravilhosa" (Wunderbare Stadt). Das Motto: "Dein, mein, unser Rio - von Gott gesegnet und schön durch die Natur."

Die ersten sechs Schulen zogen bis in die frühen Morgenstunden des Rosenmontags deutscher Zeit durch das von Brasiliens Star-Architekt Oscar Niemeyer erbaute Tribünenstadion, darunter auch der Club "Vila Isabel", der mit Top-Model Gisele Bündchen prominente Verstärkung auf dem karnevalistischen Laufsteg erhielt. Der Kampf um Rios Karnevalskrone 2011 geht in der Nacht zum Dienstag mit der zweiten Runde und weiteren sechs Sambaschulen weiter. Die Entscheidung über den Sieger fällt am Aschermittwoch.

Acht Unfallopfer in Cottbus aus Krankenhaus entlassen

Tragischer ging es in Cottbus zu: Beim größten ostdeutschen Karnevalszug wurden schon am Sonntag zwölf Menschen verletzt, zwei von ihnen schwer, als ein Stahlgerüst für Kamerakabel auf die Straße stürzte. Unter den leicht Verletzten war auch ein dreijähriges Mädchen. Die Veranstaltung mit mehr als 4.000 bunt kostümierten Jecken und Narren ging trotz des Unglücks weiter. Vermutlich sei einer der Festwagen gegen das Stahlgestell geraten, hieß es bei der Feuerwehr. Die genaue Ursache des Unglücks werde noch ermittelt.

Vier Verletzte lagen am Montag noch im Krankenhaus, teilte Polizeisprecher Torsten Wendt mit. Die restlichen Verletzten hätten entlassen werden können. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sprach den Verletzten sein Mitgefühl aus. Er verteidigte die Fortsetzung des Karnevalszuges nach dem Unglück: Diese Entscheidung sei verantwortungsbewusst gewesen, die Veranstalter hätten "in schwieriger Situation entschlossen und ohne eine Spur von Panik reagiert", sagte er.

dpa/epd