TV-Tipp des Tages: "Tatort: Vergeltung" (ARD)
Sonderermittler Moritz Eisner sucht einen Mörder, der sein tödliches Unwesen unter Wiener Jugendlichen treibt: Seine Opfer sind junge Menschen, die Kapitalverbrechen begangen haben.
04.03.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Vergeltung", 6. März, 20.15 Uhr im Ersten

Im Gegensatz zu den Schweizern, die sich bei ihrer "Tatort"-Rückkehr offenbar selbst im Weg stehen, setzt der österreichische ORF in der ehrwürdigen ARD-Reihe immer wieder markante Akzente. Die Geschichten zeichnen sich regelmäßig durch eine Düsternis aus, wie man sie aus skandinavischen Krimis kennt. Im jüngsten Fall sucht Sonderermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) einen Mörder, der sein tödliches Unwesen unter Wiener Jugendlichen treibt: Seine Opfer sind junge Menschen, die ihrerseits Kapitalverbrechen begangen haben. Der Killer sorgt dafür, dass sie jeweils auf die gleiche Todesart wie ihre Opfer ums Leben kommen.

Entsprechend trist sind die Schicksale, mit denen sich Eisner auseinandersetzen muss. Seine neue Mitarbeiterin (Adele Neuhauser) ist auch keine große Hilfe: Als Assistentin wird ihm ausgerechnet eine ältere Kollegin von der Sitte vermittelt. Die Dame hat bereits in alle Abgründe dieser Welt schauen müssen ("Da draußen herrscht Krieg") und scheitert regelmäßig an dem Versuch, sich das Leben schön zu trinken. Das klingt nach bemitleidenswerter Figur, sorgt aber immer wieder für unvermittelte Heiterkeit. Die Kombination (Buch: Uli Brée) ist durchaus gewagt, denn die beherrschende Tonart des Films (Regie: Wolfgang Murnberger) ist alles andere als komödiantisch. Immer wieder sorgen Details dafür, dass gerade der Blick auf die Jugend voreingenommen ist.

Trockene Pointen und ein Pontiac Firebird

Gleich zu Beginn beobachtet Eisner Halbwüchsige dabei, wie sie einer alten Frau ins Gesicht schlagen und den Vorfall filmen ("Happy Slapping"). Auf der anderen Seite ist die hierzulande bevorzugt aus Komödien bekannte Neuhauser ("Doctor’s Diary") ein gelungener Kontrast zu Krassnitzer, der seine Pointen dafür umso trockener vorträgt. Sie versieht die Ermittlerin Bibi Fellner mit so viel Tragikomik, dass sie eine völlig neue Farbe in die Krimis aus Wien bringt. Herrlich ist schon allein die Idee, die neue Kollegin mit einem Pontiac Firebird (selbstredend mit Kriegsbemalung) durch die Stadt brausen zu lassen.

Trotz der diversen kleinen Privatscharmützel zwischen den Polizisten steht stets der Fall im Vordergrund, auch wenn sich Autor Brée gelegentlich zum Moralapostel aufschwingt; etwa, wenn sich der alle Konflikte weglächelnde Schlagerstar Jaqueline Stein (Aglaia Szyszkowitz) vor allem ums Make-up sorgt, während die Tochter im Sterben liegt. Gegenentwurf ist ein Psychiater (Harald Schrott), der verbrecherische Jugendliche mit einer Wut-Therapie behandelt. Er hat damit einen Weg gefunden, ein eigenes Trauma zu verarbeiten, denn seine Frau ist von der Tochter der Sängerin gefoltert und fast erstickt worden.

Gelegentliche Ausflüge in die Wiener Unterschicht mögen aus hiesiger Sicht dem Verständnis der Dialoge nicht immer förderlich sein, sind für die Atmosphäre aber wichtig; außerdem tun sie weder der Spannung noch dem Unterhaltungswert des Films einen Abbruch.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).