Unruhen: Hilfe für Libyen-Flüchtlinge in Tunesien läuft an
Chaos, Luftangriffe auf Zivilisten sowie Zehntausende auf der Flucht - und ein Ende der dramatischen Situation in Libyen ist nicht in Sicht. Nun rollt internationale Hilfe an.

Die Bundeswehr beteiligt sich ab Freitag mit drei Schiffen an einem internationalen Hilfseinsatz für in Tunesien festsitzende Libyen-Flüchtlinge. Täglich kommen mehr als 10.000 Menschen aus dem umkämpften Land nach Tunesien, der Großteil stammt aus Ägypten. Schon mehr als 180.000 Menschen haben Libyen nach Schätzungen verlassen. Die Vereinten Nationen und das Rote Kreuz warnen vor einer humanitären Katastrophe und haben um Unterstützung gebeten. US-Präsident Barack Obama sagte die Entsendung von Flugzeugen zu. Auch Frankreich hatte angekündigt, Flüchtlinge aus Tunesien auszufliegen.

Helfer warnen vor Seuchen

An dem Einsatz unter UN-Schirmherrschaft werden sich vermutlich auch weitere europäische Staaten beteiligen. Mit Hilfe deutscher und anderer Schiffe sollen nach Angaben von Bundesaußenminister Guido Westerwelle innerhalb der nächsten Tage etwa 4.000 Ägypter über das Mittelmeer in ihre Heimat zurückgebracht werden. "Das ist für uns ein Gebot der Menschlichkeit", sagte Westerwelle am Donnerstag bei einem Treffen mit europäischen Kollegen im slowakischen Bratislava.

Das Auswärtige Amt hat bisher für 2,8 Millionen Euro Hilfe zur Verbesserung der humanitären Lage in Libyen und der Grenzregion zu Tunesien bereitgestellt. Die Europäische Union verdreifachte die Soforthilfe für auf 30 Millionen Euro.

Die Weltgesundheitsorganisation warnte vor einer Seuchengefahr in den tunesischen Flüchtlingslagern. Mittlerweile seien zwar humanitäre Korridore für den Transport von Medikamenten und anderen Hilfsgütern geschaffen worden, sagte WHO-Mitarbeiter Eric Laroche in Tunis. Doch die vorhandenen Unterkünfte im Grenzgebiet platzten aus allen Nähten.

Obama schickt Militärflugzeuge zum Flüchtlingstransport

Die US-Regierung wolle neben dem Einsatz von Militärmaschinen für ägyptische Libyen-Flüchtlinge auch zusätzlich Zivilmaschinen chartern, um andere aus Libyen geflohene Ausländer in ihre Heimatländer zurückzubringen. Darüber hinaus würden US-Teams an die libysche Grenze entsandt, um die UN und andere internationale Organisationen bei humanitären Aktionen innerhalb des Landes zu unterstützen, sagte Obama am Donnerstag in Washington.

Der US-Präsident forderte erneut den sofortigen Rücktritt von Libyens Staatschef Gaddafi. "Muammar al-Gaddafi hat die Berechtigung zur Führung verloren (...), er muss gehen", sagte Obama. Die USA prüften weiterhin eine ganze Reihe militärischer Optionen, etwa die Einrichtung einer Flugverbotszone, wie sie die Gaddafi-Gegner in Libyen gefordert hatten. Obama betonte aber, dass alle Schritte international koordiniert werden müssten.

Westerwelle hatte sich zuvor zurückhaltend zu einer Flugverbotszone geäußert. Auch er sprach von einer grundsätzlichen "Option", riet aber zur Vorsicht. Die Frage stehe ohnehin "nicht zur Entscheidung" an. Die Außenminister der EU wurden von der Außenbeauftragten Catherine Ashton für kommenden Donnerstag zu einer Sondersitzung in Brüssel zum weiteren Vorgehen gegen das Regime in Libyen einberufen.

Kämpfe im Osten Libyens

Gaddafi-treue Truppen hatten am Donnerstag erneut mit Kampfflugzeugen von Aufständischen kontrollierte Städte im Osten des Landes angegriffen. Ein Polizeikommandeur in Bengasi, der inoffiziellen Hauptstadt des "befreiten Ost-Libyens", sagte der Nachrichtenagentur dpa, mehrere Ziele in Al-Brega und Adschdabija seien bombardiert worden.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag nahm am Donnerstag Ermittlungen gegen das Gaddafi-Regime auf. Auch die Söhne des libyschen Staatschefs sind dabei im Visier der Ermittler. Gaddafi und sein Umfeld trügen mutmaßlich "die größte Verantwortung für die schwersten Verbrechen", die seit dem 15. Februar gegen friedliche Demonstranten begangen wurden, teilte Chefankläger Luis Moreno-Ocampo in Den Haag mit.

Chávez vermittelt

Nach Angaben des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez hat Gaddafi der Entsendung einer internationale Vermittlungskommission nach Libyen zugestimmt. In einem Telefonat habe der libysche Staatschef sich ferner dafür ausgesprochen, dass der Kommission auch UN-Vertreter angehören sollten, sagte er am Donnerstag in Caracas. Chávez selbst hatte die Vermittlungsmission Anfang der Woche vorgeschlagen. Die Aufständischen in Libyen haben Gespräche unter Beteiligung Gaddafis bislang jedoch abgelehnt.

dpa