Nach massiven Absatzproblemen mit dem neuen Bio-Sprit E10 wird die Einführung an allen weiteren Tankstellen vorläufig gestoppt. Damit ist E10 vorerst nur an knapp der Hälfte der 15 000 Tankstellen in Deutschland erhältlich. Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation ist derzeit nicht absehbar - E10 kommt bei den Autofahrern einfach nicht an.
Die Branche hält den Umstellungs-Stopp für unumgänglich. "Das System platzt sonst", sagte der Hauptgeschäftsführer des Minerölwirtschaftsverbandes (MWV), Klaus Picard, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf Versorgungsengpässe bei anderen Benzinsorten. Denn auf die ist wegen des Käuferstreiks bei E10 ein wahrer Ansturm entbrannt. Die überwältigende Mehrheit aller Fahrer von Benzinern meidet an den Zapfsäulen den neuen Bio-Sprit und wirbelt damit seit Tagen eine ganze Branche durcheinander.
Bisher wurde E10 als Nachfolger für das herkömmliche Super vor allem im Osten und Süden des Landes eingeführt - nun war eigentlich Nordrhein-Westfalen an der Reihe. Doch auch im bevölkerungsreichsten Bundesland wird der Bio-Sprit nun vorerst noch nicht zu tanken sein.
Nach den Angaben von Picard soll zunächst abgewartet werden, ob die Verbraucher den Sprit in den kommenden Tagen besser annehmen. Erst dann könne E10 auch in den restlichen Regionen Deutschlands kommen.
Appell: E10 bekommt den Motoren gut
Nach Darstellung des MWV gibt es derzeit massive Versorgungsprobleme bei anderen Spritsorten, wie Super Plus. Zudem könnten viele Raffinerien ihren vollen E10-Tanks nicht leeren. Mit einem eindringlichen Appell an die Autofahrer hatte die Mineralölwirtschaft am Mittwoch zum Umstieg auf die neue Kraftstoffsorte aufgerufen. Picard betonte, dass das neue Super-Benzin E10 mit einer Beimischung von zehn Prozent Ethanol hochwertig sei und beinahe allen Benziner-Motoren nicht schlechter bekomme.
Nun sollen die Informationen an Tankstellen besser werden, damit Fahrer wissen, ob ihre Autos E10 vertragen. Nach neuen Berechnungen vertragen 93 Prozent der in Deutschland angemeldeten Autos E10, von den deutschen Fabrikaten sogar 99 Prozent. Die Mineralölwirtschaft klagt, dass sie von der EU und der Bundesregierung zum Verkauf eines Ladenhüters gezwungen werde. Mit mehr Biokraftstoff will die Regierung erreichen, dass Deutschland unabhängiger wird vom Öl und das Klima mehr geschützt wird. Das neue Gesetz zur E10-Einführung erfüllt eine vorangegangene Vorgabe der EU.
Das Problem mit dem neuen Sprit spitze sich seit einigen Tagen zu. Super soll nach und nach komplett von E10 ersetzt werden, doch die meisten meiden das neue Produkt und nutzen die ihnen bekannten, verbleibenden Alternativen - das ist in aller Regel Super Plus mit 98 Oktan. Die Folge: Die Raffinerien und Tankstellen bleiben auf dem E10 sitzen, und das stärker begehrte Super Plus wird vielerorts knapp. E10 hat den Nachteil, dass es zwar bis zu acht Cent billiger ist, als Super Plus, sich damit aber bis zu zwei Prozent weniger Strecke zurücklegen lässt.
Internet-Liste ist "unzureichend"
Aus Sicht von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner ist die Branche selber mit schuld daran, dass es so viele E10-Muffel gibt. Es sei kein Wunder, dass viele Autofahrer nicht wüssten, ob ihr Auto E10 verträgt, erklärten er und der Chef des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft, Norbert Schindler. "Der Verweis auf die nur im Internet verfügbare E10-Verträglichkeitsliste der Deutschen Automobil Treuhand DAT ist für die Verbraucherinformation völlig unzureichend."
Für Landwirte ist die Kraftstoffbranche ein Geschäftsfeld: Die zehn Prozent Ethanol in E10 werden etwa aus Weizen, Rüben oder Mais gewonnen. Auch dem herkömmlichen Super und Super Plus werden Bio-Ethanol beigemischt, jedoch nur fünf Prozent. Daher heißen die alten Spritsorten auch E5.
Bleibt E10 ein Ladenhüter, drohen der Branche Strafzahlungen. Falls sich nichts ändert, hat der MWV seine Marschrichtung bereits festgelegt: Die Branche droht, auf E10 ganz zu verzichten und wieder verstärkt die herkömmlichen Sorten Super und Super Plus in den gewohnten Mengen herzustellen. Weil sie die Vorgaben der Politik dann nicht erfüllen würde, wären Strafzahlungen die Folge. Bei jedem statt E10 verkauften Liter sind dies bei Super Plus mit fünf Prozent Ethanol zwei Cent. Zahlen müssten das wohl die Autofahrer - denn die Strafe könnte auf den Preis aufgeschlagen werden.