Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in Nordafrika warnte der Ratsvorsitzende vor einer humanitären Katastrophe. Noch sei nicht absehbar, wann erste Flüchtlinge aus Libyen oder Tunesien den Inselstaat Malta erreichten. Dies sei jedoch nur eine Frage der Zeit. "Europa muss auf den Ernstfall vorbereitet sein und schnell unkomplizierte Hilfe leisten", forderte der rheinische Präses.
Dazu gehört nach seinen Worten die Versorgung der Flüchtlinge und deren Zugang zu effektiven und fairen Asylverfahren. "Das gehört zu den Menschenrechten, für deren Einhaltung wir auch sonst eintreten", sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Er warnte die EU davor, bei einem Anstieg von Bootsflüchtlingen über das Mittelmeer auf Abwehr zu setzen und Schutzbedürftige mit Hilfe der europäischen Grenzschutzagentur Frontex an der Landung zu hindern: "Wir haben für Flüchtlinge eine Verantwortung - zu dieser müssen wir unmissverständlich stehen."
Leben im Provisorium
"Die Menschen hier leben in einem dauerhaften Provisorium ohne Aussicht auf eine echte Zukunft für sich", sagte Schneider nach einem Gespräch mit der Leitung und Bewohnern des Lagers. Zwar wären viele der Insassen mittlerweile im Asylverfahren, jedoch seien die maltesischen Behörden mit der großen Zahl von Flüchtlingen überfordert. "Solange die EU-Mitgliedstaaten sich nicht zu einer solidarischen Verteilung von Asylsuchenden und Flüchtlingen und der damit verbundenen Lasten innerhalb der Europäischen Union durchringen können, werden hier menschliche Tragödien an der Tagesordnung sein", sagte Schneider.
"Alle EU-Länder stehen gemeinsam in der Pflicht, die Aufnahme von Schutzsuchenden in der Europäischen Union zu gewährleisten." Das könne nicht auf die Staaten mit EU-Außengrenzen abgewälzt werden, sagte der Präses. Bisher können Schutzsuchende nur in dem EU-Land Asyl beantragen, indem sie erstmals europäischen Boden betreten haben. Dies führt zu einer großen Belastung von Ländern wie Griechenland, Italien oder Malta, die meist erste Anlaufpunkte für Flüchtlinge aus Afrika, Afghanistan oder dem Irak sind.
Evangelische Gemeinde auf Malta erwartet Libyer
Während die Mittelmeerinsel Malta wegen der Unruhen in Libyen einen neuen Ansturm afrikanischer Bootsflüchtlinge befürchtet und viele Malteser den Afrikanern mit Abwehr begegnen, versucht die deutsche evangelische Gemeinde auf Malta, die Flüchtlinge zu unterstützen.
"Es droht eine Flüchtlingswelle, wenn das Wetter besser wird", sagte der deutsche evangelische Auslandspfarrer in Malta, Wilfried Steen (66, Foto: epd-bild), in einem epd-Gespräch. Im vergangenen Jahr habe Staatschef Muammar al-Gaddafi nach einem Abkommen mit Italien die Seegrenzen Libyens praktisch dicht gemacht. Das werde kaum so bleiben.
Die Behörden der Insel decken sich laut Steen bereits mit Hilfsgütern für die erwarteten Neuankömmlinge ein. Im Jahr 2008 hatten mehr als 2.500 Bootsflüchtlinge Malta erreicht, 2009 waren es etwa 1.400. Heute leben noch etwa 3.200 Afrikaner in Lagern in Malta, wie Steen erläuterte. Manche warteten seit vier oder fünf Jahren auf ein Aufnahmeland. Viele seien über Libyen gekommen. Ein Großteil stamme aus Somalia. Von ihnen wollten viele nach Deutschland, weil sich dort bereits Verwandte aufhalten.
Abwehr und Angst
Viele Malteser begegnen nach Einschätzung Steens Afrikanern mit Abwehr und Angst. "Es hat rassistische Anklänge", sagte er. Die Insel, von der Fläche her etwa so groß wie die Stadt Bremen, sei mit ihren 410.000 Einwohnern das am dichtesten besiedelte Land Europas. Malta rühme sich aber, den Apostel Paulus nach einem Schiffbruch aufgenommen zu haben.
Die deutsche evangelische Gemeinde unterstütze Flüchtlinge und versuche, Verständnis bei den Maltesern zu wecken. Geplant sei etwa eine Arbeitsvermittlung für kleine Jobs in Haus, Garten oder Familienhotels, sagte Steen, der lange Jahre dem Vorstand des Evangelischen Entwicklungsdienstes in Bonn angehörte.