Die katholische Kirche will jedem minderjährigen Opfer sexuellen Missbrauchs bis zu 5.000 Euro Entschädigung zahlen. Zusätzlich will die Kirche bei akutem Bedarf Kosten für eine Psychotherapie oder Paarberatung übernehmen. Dieses Angebot legte die Bischofskonferenz bei den Beratungen des Runden Tischs der Bundesregierung am Mittwoch in Berlin vor. Missbrauchsopfer kritisierte den Vorschlag als unzureichend.
Dem Vorschlag zufolge will die Kirche in besonders schweren Fällen zusätzliche Leistungen zahlen. Auch soll es einen Präventionsfonds geben, der mit 500.000 Euro ausgestattet wird. Die Kirche sehe sich in der Pflicht, eine möglichst schnelle Hilfe anzubieten. Betroffene könnten sich bereits vom 10. März an mit Anträgen melden.
Die Kirche macht das Angebot im Alleingang, ohne Regelungen aus der Arbeit des Runden Tischs abzuwarten. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und die Missbrauchsbeauftragte der Regierung, Christine Bergmann, zeigten sich dennoch zuversichtlich, zu einer gemeinsamen Fondslösung für Opfer zu kommen. "Die Bereitschaft, sich an einem gemeinsamen Modell zu beteiligen, ist uns zugesichert worden", sagte Bergmann.
Eine gemeinsame Lösung, an der sich neben den Kirchen andere Institutionen und der Staat beteiligen, ist das Hauptanliegen von Leutheusser-Schnarrenberger und Bergmann, wie beide nach dem Treffen in Berlin erklärten. "Alle haben eine gemeinsame Verantwortung", sagte Bergmann. Sie favorisiere daher die Gründung eines gemeinsamen Hilfe-Fonds. Vorstellbar sei auch eine Arbeitsteilung, wonach aus dem gemeinsamen Fonds vor allem die Angebote zur Rehabilitation bezahlt werden könnten, sagte Bergmann.
Opfer nennen 5.000 Euro eine "Unverschämtheit"
Die Bischofskonferenz erklärte, ihre Vorgehensweise bedeute keine Absage hinsichtlich von Lösungen, die möglicherweise vom Runden Tisch noch entwickelt würden. Zurückhalten äußerte sie sich aber zur Beteiligung an einem möglichen Fonds zur Zahlung von Therapien. In der katholischen Kirche gebe es dazu bereits Kostenübernahmen.
Opfer sexuellen Missbrauchs zeigten sich empört. "Es ist schäbig, wie die reichste Kirche der Welt versucht, sich aus der Affäre zu ziehen", sagte der Sprecher der Opfergruppe Eckiger Tisch, Matthias Katsch, der "Frankfurter Rundschau" (Donnerstag). Die genannte Summe von bis zu 5.000 Euro sei eine "Unverschämtheit". Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, hatte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" gesagt, er halte Entschädigungen von 5.000 bis 25.000 Euro für angemessen.
Die Bischofskonferenz erklärte, die Hilfen hätten das Ziel, "zur Heilung der Folgen sexuellen Missbrauchs" beizutragen. Alle Leistungen seien freiwillig und erfolgten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Die Entschädigung in Höhe einer Einmalzahlung in Höhe von bis zu 5.000 Euro soll nach dem Angebot der Bischofskonferenz vom Täter persönlich übernommen werden. Kann dieser nicht zahlen, soll ersatzweise die betroffene kirchliche Stelle einspringen.
Gesetz soll Vertuschung verhindern
Die Bischöfe hätten keine Pauschallösung für alle Opfer gewollt, erläuterte der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte Stephan Ackermann. Jeder Fall werde auf Antrag einzeln geprüft. Die Auszahlungen sollten möglichst schnell erfolgen und noch in der ersten Jahreshälfte anlaufen.
Leutheusser-Schnarrenberger wollte sich noch nicht dazu äußern, welcher Anteil vom Bund und den Ländern getragen werden muss. Die Bundesregierung will die Opfer familiären Missbrauchs in eine Lösung einbeziehen. Das sind nach Bergmanns Angaben 67 Prozent der Betroffenen. In einer weiteren Arbeitsgruppe des Runden Tisches sollen Bergmanns Vorschläge nun ausgearbeitet werden. Zu Entschädigungen wolle sie erst in ihrem Abschlussbericht im Mai Stellung nehmen, sagte Bergmann. Sie warnte vor zu großen Hoffnungen: "Wir dürfen keine Erwartungen wecken, die nicht realistisch sind."
Die Rechts-Arbeitsgruppe verständigte sich abschließend auf Leitlinien zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden, die für alle Institutionen gleichermaßen gelten sollen. Darüber hatte es langwierige Debatten gegeben. Leutheusser-Schnarrenberger zeigte sich zufrieden. Durch die frühzeitige Einschaltung der Behörden solle in Zukunft die Vertuschung von Taten verhindert und eine effiziente Strafverfolgung ermöglicht werden. Beschlossen ist auch die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen von drei auf dreißig Jahre. An dem Gesetzentwurf werde gearbeitet, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Der nächste Runde Tisch Missbrauch soll am 5. April in Berlin zusammentreten.