Karneval: Guttenbergs Schatten und Gottes Segen
Guttenbergs Rücktritt hat die närrischen Vorbereitungen für den Rosenmontagsumzug durcheinandergewirbelt: Während in den Wagenbaustätten noch gebastelt und gehämmert wird, ist der Segen für die Karnevalsgemeinde schon gesprochen – zumindest für den Kölner Umzug.
02.03.2011
Von Anja Hübner

"Liebe Schwestern, liebe Brüder, alle Jahre kommt sie wieder, die Zeit, in der wir ausgelassen, in den Sälen, auf den Straßen, feiern in Colonia. Diese Zeit ist wieder da!"

Was beginnt wie eine launige Büttenrede, sind in Wirklichkeit besondere Worte: die Segnung für den Rosenmontagsumzug. Thomas Weckelmann, persönlicher Referent von Präses Nikolaus Schneider, spricht sie abwechselnd mit seinem katholischen Pendant, dem Geheimsekretär von Kardinal Joachim Meisner, Monsignore Oliver Boss. Die beiden stehen auf der Bühne in der Museumshalle des Kölner Karneval Festkomitees, umgeben von 51 Karnevalswagen und deren Erbauern.

"Ich finde es schön, dass sich der Karneval der Religion öffnet", sagt Weckelmann. "Diese Zeit stärkt das Gemeinschaftsgefühl." Er selbst segne vor allem die Menschen, die am Karneval teilnehmen und nicht die Umzugswagen. "Das Segnen von Gegenständen ist mehr der katholische Part." Mit seinem Segensritual steht der Kölner Karneval weitgehend für sich. "Bei uns hat die ökumenische Segnung der Wagen und der Karnevalisten seit vielen Jahren Tradition", erklärt Sigrid Krebs vom Festkomitee. In Mainz und Düsseldorf, den zwei anderen deutschen Faschingshochburgen, wird göttlicher Beistand für den Rosenmontagsumzug nicht bemüht.

Neuer Pappmaché-Guttenberg beim Kölner Umzug

"Für mich ist der Karneval weltanschaulich neutral", erklärt der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly. Deswegen könne er sich für seine Wagen keine Segnung vorstellen. "Unsere Narren gehen am Sonntag in den Dom – dann haben sie richtige Narrenfreiheit", meint dagegen der Mainzer Wagenbauer Dieter Wenger schmunzelnd. "Wenn jemand von der evangelischen Kirche zu uns kommen mag, ist er auch herzlich willkommen und wir machen auch extra eine Flasche auf."

Derweil herrscht in den Werkstätten in Mainz, Köln und Düsseldorf Hochbetrieb: Der Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg als Verteidigungsminister zwei Tage vor Weiberfastnacht hat die närrischen Pläne der Wagenbauer teilweise über den Haufen geworfen. Die Kölner hat es besonders hart getroffen: Ihr bisheriger Rosenmontagswagen zum adligen Minister muss komplett abgerissen und neu gebaut werden. "Wir beginnen im Spätherbst mit dem Bau der Wagen und jetzt ist der Wagen Schnee von gestern", erklärt Krebs. Bislang hatte ein Pappmaché-Guttenberg auf dem Rosenmontagswagen mit Karten um einen Pokal gespielt – zunächst um die Kanzlerschaft, dann nach Beginn der Plagiatsaffäre, um seinen Doktor. Nun werde in Windeseile ein neuer Wagen auf die Beine gestellt, sagt Krebs. "Geplant ist ein Fotokopierer mit kurzen Beinen aus dessen Deckel Herr zu Guttenberg schaut." Titel des neuen Wagens: "Lügen haben kurze Beine".

Merkel lässt ihre Aggressionen am Voodoo-Guttenberg aus

In Mainz hat Wagenbauer Wenger eine andere Lösung gefunden Guttenbergs Rücktritt kurz vor der Fastnacht zu thematisieren. "Auf unserem Merkel-Wagen hält die Kanzlerin eine Voodoo-Puppe in der Hand. Auf diese Puppe haben wir jetzt den Namen 'K.-T. z. Guttenberg' angebracht." An dieser Puppe könne Angela Merkel ihre Aggressionen auslassen – wie auch an den anderen zurückgetretenen CDU- und CSU-Politikern der vergangenen Monate. "Sie sind mit Namen, Nadeln und Puppen an der Wand hinter ihr angebracht." Ole von Beust, Horst Köhler und Roland Koch zum Beispiel.

Vergleichsweise entspannt ist Tilly in seiner Wagenbauwerkstatt in Düsseldorf: "Wir bauen noch fleißig, traditionell die Nächte durch bis zum Rosenmontagmorgen." Erst an Weiberfastnacht werden er und sein Team mit dem Bau des Guttenberg-Wagens beginnen. "Wir heben uns die heißen Kandidaten immer bis zum Schluss auf und bei Guttenberg war ja absehbar, dass er noch zurücktritt." Ideen für den Wagen gebe es schon, aber verraten will Tilly nichts: "Die politischen Wagen sind in Düsseldorf immer eine Überraschung und werden erst am Rosenmontag enthüllt."

Referent Weckelmann freut sich schon auf die kommenden jecken Tage. "Doch es ist wichtig, dass es nicht nur ums Feiern geht, sondern dass der Karneval in Gottes Hand liegt", meint er und erinnert an die Toten und Verletzten bei der letzten Massenveranstaltung auf deutschen Straßen, der Loveparade im Sommer 2010 in Duisburg. "Gott möge alle Jecken schützen, wenn Montag sie durch Kölle flitzen", sagt Weckelmann deshalb zum Schluss der ökumenischen Segnung. Und dieser Wunsch gilt natürlich nicht nur für die Kölner Jecken, sondern auch für alle Narren in Mainz, Düsseldorf und anderswo.


Auszüge aus der Segnung der Karnevalsgemeinde:

"Der Schlüssel für den Karneval liegt dort, wo Menschen überall, gemeinsam feiern, sich vergnügen, nicht in Streit und Zwietracht liegen, wo jeder wirklich Mensch sein kann, egal wie alt, ob Frau, ob Mann, ob Imi – das heißt 'nicht von hier' -, ob 'KölscheKraat', ob hohes Tier. Hier gibt es keine Barrieren, die oft das Leben so erschweren. Hier geht es zu – welch ein Vergleich! – ein bisschen wie im Gottesreich."

"Nicht umsonst, ihr wisst es schon, war es der Christen Religion, die Karneval entstehen ließ, der früher „carne-vale“ hieß und an die Fastenzeit gemahnte, doch erst einmal die Wege bahnte, für Spaß und Freud`, die Zeichen sind, dass jeder ist ein Gotteskind. Als solche sind wir hier zugegen und empfangen Gottes Segen, bevor gleich öffnen sich die Türen, und laden ein zum Rumspazieren, und Bestaunen all der Wagen, die Jecke und Kamelle tragen."

"Bei einer solchen Großaktion bedarf es Gottes Segen schon: Gefahren lauern noch und nöcher; hundert Prozent ist niemand sicher. Das zeigt mit aller Deutlichkeit ein Blick in die Vergangenheit. Wir rechnen, planen, denken, machen; wir schützen Menschen, Tiere, Sachen. Doch haben wir alsbald erkannt, dass nur allein die Menschenhand nicht allem Übel kann begegnen, weshalb wir nun die Wagen segnen. Auf alle, die sie lenken werden, auf alle Reiter mit den Pferden, auf alle, die per pedes gehen, auf alle, die am Rande stehen, auf alle, die sich fortbewegen, komme Gottes reicher Segen."


Anja Hübner ist Mitarbeiterin bei evangelisch.de und freie Journalistin in Mainz und Frankfurt am Main.