Libyen: Helfer warnen vor Flüchtlingsdrama
Ein Ende der politischen Unruhen in Libyen ist nicht absehbar. Muammar al-Gaddafi hält starr an den Resten seiner Macht fest. Inzwischen mehren sich die Warnungen vor einem Flüchtlingsdrama: Nachbarländer wie Tunesien und Ägypten könnten mit dem anschwellenden Strom von Menschen, die sich vor der Gewalt in Sicherheit bringen, überfordert sein, so das UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Den Angaben zufolge sind bereits mehr als 140.000 Menschen aus Libyen geflohen. In den Grenzgebieten fehlt es an Essen, Decken und Medikamenten.

"Wir erleben ganz klar eine sich verschärfende humanitäre Krise", sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming. Täglich flüchteten bis zu 15.000 Männer, Frauen und Kinder vor den Kämpfen zwischen Truppen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi und Oppositionskräften. Tausende Flüchtlinge warteten Tag und Nacht an den libyschen Grenzen zu Tunesien auf Hilfe und Weitertransport. In Ägyptens Grenzregion zu Libyen warteten ebenfalls Tausende Menschen unter widrigen Umständen auf ihre Weiterreise. Bei den meisten Flüchtlingen handele es sich um Migranten aus Ägypten und Tunesien.

Das UNHCR berichtete auch von brutalen Menschenjagden innerhalb Libyens auf mehr als 11.000 wehrlose Migranten. Viele dieser Menschen aus Eritrea, Somalia, dem Tschad, dem Sudan, den Palästinensergebieten und dem Irak würden von Libyern attackiert. Auch von Tötungen sei die Rede. Libyer betrachteten besonders die Menschen aus Schwarzafrika fälschlicherweise als Söldner Gaddafis. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage könne das UNHCR den Angegriffenen nicht zur Hilfe eilen. Die Menschen hätten keine Chance, sich aus Libyen abzusetzen.

Zugang zu Hilfsbedürftigen schwierig

Ähnlich dringend sieht das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) die Lage. "Es ist höchste Zeit, dass wir den Menschen bei ihren dringendsten Bedürfnissen helfen können und die Hilfsorganisationen in den Rest des Landes hineinkommen", sagte IKRK-Sprecherin Anna Nelson. Vor allem die Entwicklung in dem noch vom Gaddafi-Regime beherrschten Westen Libyens mit der Hauptstadt Tripolis bereite Sorge. Der Zugang zu den Hilfsbedürftigen sei weiterhin sehr schwierig. Die Kämpfe zwischen Gaddafi-Getreuen und Oppositionellen in und um die Hauptstadt Tripolis machten eine Einreise unmöglich. Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation warteten seit Tagen in Tunesien auf ihren Transport nach Libyen. Nach Angaben des Roten Kreuzes steckt auch ein finnisches Ärzteteam an der tunesisch-libyschen Grenze fest.

Im Osten dagegen sei die Lage weitgehend unter Kontrolle, hieß es. Hilfe werde akzeptiert. Ein Ärzteteam des Deutschen Roten Kreuzes sollte nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) bis Mittwoch in der Stadt Bengasi im Osten des Landes eintreffen. In den Krankenhäusern der Stadt müssten mehr als 2.000 Verwundete behandelt werden. Ein norwegisches Medizinerteam habe in Bengasi bereits seine Arbeit aufgenommen.

Am Dienstag sollte die UN-Vollversammlung in New York über einen Ausschluss Libyens aus dem UN-Menschenrechtsrat entscheiden. Deutschland und andere westliche Staaten hatten wegen der Gewalt eine Suspendierung Libyens aus dem höchsten UN-Gremium zum Schutz der Menschenrechte verlangt.

epd/dpa