Der Runde Tisch will Missbrauchsopfer entschädigen
In der Öffentlichkeit war seit Anfang Dezember vom Runden Tisch Missbrauch nichts mehr zu hören. Doch die Arbeit lief weiter. Am Mittwoch berät die Rechts-Arbeitsgruppe des Runden Tisches im Bundesjustizministerium über die letzten offenen Fragen - die zugleich die schwierigsten sind: über Leitlinien für Institutionen und über die Entschädigung der Opfer. Beide Themen werden auch im Mittelpunkt stehen, wenn der gesamte Runde Tisch am 5. April wieder zusammenkommt, rund ein Jahr nach seiner ersten Sitzung am 23. April 2010.
28.02.2011
Von Jutta Wagemann

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat ihre Position zur Entschädigung bereits deutlich gemacht. Sie favorisiert einen gemeinsamen Fonds aller von Missbrauch betroffenen Einrichtungen. Ziel seien gemeinsame Standards und eine Gesamtlösung für Missbrauchsopfer in kirchlichen und weltlichen Einrichtungen. Die Ministerin warnte vor "einzelfallbezogenen Lösungen". Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, will in dieser Woche einen entsprechenden Vorschlag für ein Entschädigungsmodell präsentieren.

Details zu gemeinsamen Fonds sind unklar

Teilnehmer des Runden Tisches berichten jedoch, dass über die Details eines solchen gemeinsamen Fonds noch große Unklarheit herrscht. Wer den Fonds speist, ist offenbar ebenso offen, wie die Frage, wofür der Fonds genutzt werden soll: für Prävention, Therapiekosten oder Entschädigung. Als besonders problematisch wird erachtet, dass ein Entschädigungsfonds Opfer von Missbrauch in der Familie gar nicht erfassen könnte. Vermutlich wird eine eigene Entschädigungs-Arbeitsgruppe am Runden Tisch eingerichtet, die konkrete Lösungen erarbeiten soll.

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Ordensobernkonferenz hatten bereits im vergangenen September ein Modell vorgeschlagen. Dazu gehören ein Vorsorgefonds, die Erstattung von Kosten für therapeutische Hilfe, materielle Leistungen in Anerkennung des Leids sowie Regelungen für besonders schwere Fälle.

Entschädigungssumme noch offen

Die Summen, die als Entschädigung gezahlt werden sollen, blieben offen. Der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Stefan Ackermann, bezeichnete es Anfang Februar in der "Frankfurter Rundschau" als schwierig, noch eine Lösung "im Verbund mit anderen Institutionen zu erreichen". Sollte der Vorschlag von Bergmann die Kirche überzeugen, wollen die Bischöfe offenbar neu überlegen. Andernfalls ist davon auszugehen, dass die Bischöfe bei ihrer Frühjahrsvollversammlung vom 14. bis 17. März Summen nennen. "Beim Papst-Besuch im September wollen die Bischöfe das Thema nicht mehr als offene Baustelle haben", sagt ein hochrangiger Kirchenvertreter.

Sehr viel ruhiger kann die evangelische Kirche die Entschädigungsfrage angehen. Abgesehen davon, dass es deutlich weniger Fälle in evangelischen Einrichtungen oder Kirchengemeinden gab als in katholischen, haben die meisten Landeskirchen die Vorfälle zur Anzeige gebracht. Teilweise wurden die Opfer nach einem Gerichtsverfahren bereits zivilrechtlich entschädigt.

Neue Leitlinien: Staatsanwaltschaft schnell einschalten

Größere Klarheit als beim Thema Entschädigung gibt es inzwischen über die geplanten Leitlinien für Institutionen. Eine eigene Unter-Arbeitsgruppe wurde dafür gebildet, die einen Entwurf erarbeitet hat. Voraussichtlich wird die Arbeitsgruppe im Justizministerium diese Empfehlungen am Mittwoch beschließen.

Darin wird empfohlen, die Staatsanwaltschaft im Verdachtsfall möglichst schnell einzuschalten. Interne Voruntersuchungen in der Einrichtung bergen nach Ansicht der Experten eine Verdunkelungsgefahr. Außerdem könnte auf das Opfer Druck ausgeübt werden. Die Institutionen, wie etwa Schulen oder Sportvereine, sollen zur Anzeige verpflichtet werden, allerdings ohne Strafbewehrung.

Allerdings soll es Ausnahmen geben. Wenn ein Opfer eine Anzeige ablehnt und keine weiteren Menschen gefährdet sind, kann von einer Anzeige abgesehen werden. Wenn die Einrichtung jedoch die Belastung des Opfers durch eine Anzeige nicht sicher einschätzen kann, soll sie sich professionelle Beratung von außen holen, so die Empfehlung. Allerdings wird auch darauf hingewiesen, dass sich die Institution über das Opfer hinwegsetzen darf, um weitere Verbrechen zu verhindern. Wenn sich die Arbeitsgruppe von Leutheusser-Schnarrenberger auf diese Empfehlungen verständigt, könnte sie der Runde Tisch am 5. April verabschieden.

epd