Was tut ein Türke in Australien? Deutsches Brot backen
In Istanbul geboren, in Deutschland aufgewachsen, in Syndey erfolgreich: Ahmet Yaltirakli ist das Beispiel für einen modernen Nomaden. Aus Deutschland, wo er sich nie ganz wohlfühlte, brachte er die Leidenschaft für Brot und Backen mit nach Down Under. Mit großem Erfolg.
25.02.2011
Von Sid Astbury

Beim dritten Mal hat es geklappt. Ahmet Yaltirakli versuchte zweimal vergeblich, in Australien Fuß zu fassen. Nachdem der Deutschtürke 2002 aus Köln nach Sydney ausgewandert war, schlugen seine ersten Schritte als Geschäftsmann fehl. Nun hat der in Istanbul geborene Mann seine eigene Firma: eine deutsche Bäckereikette.

Damals ging sein Geld langsam zur Neige und das Visum hing davon ab, ob er einen Job hatte. Eine Backstube im edlen Queen Victoria Building wurde schließlich der große Wurf. Juwelen und Eiscreme hatten sich als Geschäftsideen nicht rentiert. Die "Lüneburger German Bakery" aber ist in Down Under ein voller Erfolg. Mit 46 Jahren betreibt Yaltirakli sechs Läden in Sydney und Melbourne.

"Ich bin ein Weltbürger"

Eine Franchise-Idee soll sich nun richtig auszahlen. In einem Haus mit Blick auf den Hafen denkt er nicht mal darüber nach, sich hier auch nur halb zur Ruhe zu setzen. "Wer weiß, vielleicht geh ich in zehn Jahren ja wieder zurück nach Deutschland oder in die Türkei", sagt er, "oder in ein anderes Land in Asien. Oder ich bleibe doch einfach hier. Ich weiß es nicht. Ich bin ein Weltbürger."

Deutschland verlassen - das wollte Yaltirakli schon lange, bevor es damals losging. Als er mit elf Jahren seinem Gastarbeiter-Vater dorthin folgte, war da eine türkische Gemeinde, die ihn aufnahm - ganz im Gegensatz zur deutschen Mitwelt: "Als wir ankamen und keine hübschen Kleidung hatten, mochten sie uns nicht. Als wir dann später erfolgreich und gut angezogen waren, passte es ihnen auch nicht", erzählt er. "Wir können einfach nicht so sein, wie es die Deutschen gerne hätten. Wir sind anders, und das sollten sie akzeptieren. Tun sie aber nicht."

Genervt von deutschen Regeln

Dafür schätzt Yaltirakli die Australier. Er ist überzeugt, dass es Existenzgründer wie er hier einfacher haben. "In Deutschland ist alles viel reglementierter", meint er. "Nehmen Sie den Hersteller meiner Papiertüten: Der hat seine Firma in Deutschland geschlossen und in Ungarn wieder eröffnet. Er hat so hart gearbeitet, konnte aber in Deutschland einfach kein Geld machen."

Verfolgung, Armut, die Sehnsucht nach Freiheit und viel Idealismus - das sind oft Beweggründe auszuwandern. Für Yaltirakli war es einerseits das Gefühl, in Deutschland nur geduldet zu sein, und andererseits der Wunsch, es geschäftlich mal woanders zu probieren. Er zögerte nicht lange. Drei Tage, nachdem er 1996 eine TV-Dokumentation über Australien gesehen hatte, saß er im Flieger nach Sydney, neben sich seine ebenfalls türkischstämmige Frau und sein dreijähriger Sohn. Er wollte zunächst als Tourist schauen, ob es in Australien wirklich so viele Möglichkeiten gab, wie der Film versprach. "Englisch zu lernen, war das größte Problem", sagt er, "ich fing bei Null an".

Zu Hause in Sydney geht es heute wild durcheinander - in einem Mischmasch aus Deutsch, Türkisch und Englisch, wobei der mittlerweile 17 Jahre alte Sohn Devin eigentlich nur das Englische fließend beherrscht. Kompliziert ist auch die Frage der Staatsbürgerschaft. Yaltirakli hatte 1995 endlich einen deutschen Pass erlangt. Den will er nun auch nicht einfach für einen australischen abgeben. Und als Türke fühlt er sich auch nicht.

Die Bedeutung von Heimat

Wie anderen Migranten fällt es auch ihm schwer zu sagen, was für ihn Heimat bedeutet. "Ich würde liebend gern in die Türkei gehen, aber das Leben dort ist immer noch ziemlich hart", sagt er. In Australien sei es leichter. Die brummende australische Wirtschaft tut ein Übriges: "Geld ist auch wichtig, weil es zeigt, dass Du Erfolg hast. Und man braucht es nun mal einfach, um ein schönes Leben zu leben", sagt Yaltirakli. "Aber man weiß nie, was morgen kommt. Der Wettbewerb könnte härter werden."

Wenn es einen Grund gibt, noch einmal bei Null anzufangen, ist es für Unternehmertypen wie den 46-Jährigen nicht so schlimm - langweilen sie sich doch nach einer gewissen Zeit. "Seit zehn Jahren denke ich darüber nach, was das nächste Abenteuer sein könnte", sagt er. "Mich wird keiner vermissen, sollte ich Australien wieder verlassen. Es gibt bestimmt noch andere Herausforderungen."

Ein dauerndes Nomadentum, das wäre wohl der passende Lebensstil für Leute wie ihn. Ein Haus hat der Familienvater zum Beispiel noch nicht gekauft, und er denkt auch gar nicht daran. "Es gibt so viele schöne Plätze auf der Welt", sagt er, "wenn Du ein gutes Einkommen oder ein bisschen was gespart hast, kannst Du überall leben. Ich könnte das auch für sechs Monate."

dpa