Der Regelsatz steigt in diesem Jahr rückwirkend um fünf auf 364 Euro monatlich. Anfang 2012 wird er um weitere drei Euro angehoben und zusätzlich an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst. Für rund 2,5 Millionen Kinder gibt es ein Bildungspaket. Außerdem soll es drei neue Mindestlöhne für rund 1,2 Millionen Beschäftigte geben. Während im Bundesrat die Einigung betont wurde, an der die Länder maßgeblich beteiligt waren, war die Debatte im Bundestag erneut von gegenseitiger Kritik und Vorwürfen geprägt.
Der Bundestag beschloss die Reform mit den Stimmen der Koalition und der SPD. In namentlicher Abstimmung votierten 433 Abgeordnete für das Gesetz, 132 dagegen. Zwei enthielten sich der Stimme. Im Bundesrat erhielt das Gesetz eine deutliche Mehrheit. Fünf Länder, in denen die Grünen oder die Linkspartei mitregieren, verweigerten die Zustimmung.
Die Linkspartei hatte die Hartz-IV-Reform von Beginn an abgelehnt. Die Grünen waren kurz vor Schluss aus den Verhandlungen ausgestiegen, weil aus ihrer Sicht der neu berechnete Regelsatz nicht verfassungskonform ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine verfassungsgemäße Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze für Kinder und Erwachsene bis Ende 2010 verlangt.
Trotz der Einigung gab es weiterhin Kritik
Im Bundestag warf Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Grünen Flucht aus der Verantwortung vor. Kinder und Kommunen seien die Hauptgewinner der Reform, sagte sie. Die Kommunen werden im Rahmen der Hartz-IV-Reform in den kommenden drei Jahren um rund zwölf Milliarden Euro und dann dauerhaft von den Ausgaben für die Grundsicherung bedürftiger Rentner entlastet. Außerdem erstattet der Bund den Gemeinden die Kosten für die Umsetzung des Bildungspakets jeweils im Folgejahr. Dafür wurde der bisherige Streit zwischen Ländern und Bund um die Mietkosten für Hartz-IV-Empfänger beigelegt.
SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig betonte im Bundestag und im Bundesrat, dass die Reform nicht ausreiche, um Armut in Deutschland zu bekämpfen und die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Dennoch sei es ein guter Kompromiss, weil sich das Leben vieler Menschen verbessere.
Scharfe Töne kamen von den kleineren Fraktionen im Bundestag. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger warf der Opposition eine Überfrachtung der Verhandlungen mit immer neuen Wünschen vor. Von "illegalen Kungelrunden" sprach der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi. Auf dem Rücken der Ärmsten hätten sich Union, FDP und SPD auf ein verfassungswidriges Gesetz verständigt. Auch der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Fritz Kuhn, sprach von einem verfassungswidrigen Gesetz. Beim Regelsatz sei "nach unten arm gerechnet worden".
Beck und Seehofer loben die Länder
Im Bundesrat begrüßten die Ministerpräsidenten die Einigung. Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) sprach von einem "echten Kompromiss". Das Ergebnis sei allerdings in "allerletzter Minute" zustande gekommen. Daran hätten die Länder einen maßgeblichen Anteil, betonte Beck.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der wie Beck und der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Wolfgang Böhmer (CDU), an der Vorbereitung des Kompromisses beteiligt war, erklärte, ein Ergebnis sei nur erreicht worden, "weil die Länder sich einig waren". Die fast zehnwöchigen zähen Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition hatten erst nach der zweiten Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat zu einem Ergebnis geführt.