Von Uganda bis Südafrika droht erstmal keine Revolution
Während in Nordafrika Regime kippen, gibt es im Rest des Kontinents keine Spur von Revolution. Das hat viele Gründe, von verschiedenen Ethnien im Land bis zum Lebensstandard in den Ländern südlich der Sahara.
25.02.2011
Von Marc Engelhardt

Seit Wochen gibt sich Kizza Besigye alle Mühe, die Revolution auszurufen. Doch selbst rhetorisch bleibt Ugandas Oppositionsführer stecken, der nach offiziellen Angaben gerade zum dritten Mal eine Wahl gegen Präsident Yoweri Museveni verloren hat. "Die Zeit ist reif, sich zu erheben und friedlich gegen das Wahlergebnis zu protestieren?, wettert Besigye. Revolution klingt anders.

Von Protesten wie in Ägypten, auf das er sich gerne beruft, ist in Uganda denn auch nichts zu sehen. Museveni regiert dort seit 25 Jahren - und wird es weiter tun. Das ostafrikanische Land ist kein Einzelfall. Während im Norden Afrikas ein Despot nach dem anderen in die Wüste geschickt wird, ist südlich der Sahara alles beim Alten. Dabei sind Korruption, Machtmissbrauch und die Ausbeutung der Bevölkerung zugunsten einer herrschenden Elite dort mindestens so virulent wie nördlich der Sahara.

Nur die Mittelschicht kann es sich leisten, zu demonstrieren

Claire Spencer vom Londoner Institut Chatham House hält hohe Lebensmittelpreise für den wichtigsten Auslöser der ägyptischen Proteste. "Die Menschen haben kaum Arbeit, sie bringen ihre Familien gerade so durch - wenn dann die Nahrungspreise steigen, kann das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt." Das gilt in Uganda genauso wie in Ägypten. Allerdings sei es vor allem die Mittelschicht, die ihre Not in Protesten zum Ausdruck bringe, sagt Spencer. "Die Ärmsten müssen arbeiten, um etwas zu essen zu haben - nur die, denen es bessergeht, können es sich leisten, zu demonstrieren."

Eine solche Mittelschicht wächst in den meisten Ländern südlich der Sahara erst langsam. Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung lebten der Weltbank zufolge 2010 von maximal einem Euro am Tag. Die Ärmsten sind Tagelöhner. Die Trägheit armer Massen gehört in Afrika schon lange zum Konzept autoritärer Herrscher. Als etwa Mobutu Sese Seko in den 80er Jahren sein Zaire (Kongo) wirtschaftlich zugrunde gerichtet hatte, waren Oppositionelle in der Hauptstadt Kinshasa mutloser als zuvor: "Streiks oder Demonstrationen halten nur einen halben Tag, danach müssen die Leute wieder schuften", hieß es.

Für Matthias Basedau, Afrika-Experte am Leibniz-Institut für Globale und regionale Studien in Hamburg, ist die sozioökonomische Struktur aber nicht der einzige Grund für die fehlenden Proteste. "Nur ein gutes Drittel aller Staaten südlich der Sahara wird wirklich autoritär regiert, etwa die Hälfte sind Länder, die man als hybride Regime oder defekte Demokratien bezeichnen könnte." Anders als in Staaten mit extremem Unterdrückungsapparat wie in Libyen, sind in diesen Ländern oft - machtlose - Oppositionsparteien und eine mehr oder minder freie Presse erlaubt - solange sie der Regierung nicht gefährlich werden.

Das Protestpotenzial äußert sich anders

Das gilt auch für Uganda. "In solchen Ländern können die Regime die Proteste offenbar besser kanalisieren als in Staaten, wo der Deckel mit aller Macht drauf gehalten wird", glaubt Basedau. Manchmal äußere sich das Protestpotenzial auch einfach anders, etwa in wachsender Kriminalität: "Südafrika ist so ein Fall."

Bremsend auf Proteste wirkt die Tatsache, dass die meisten Länder südlich der Sahara Kunstgebilde sind, in denen unterschiedlichste Ethnien zusammen leben. Massenproteste scheitern oft daran, dass Regime ethnische Zwistigkeiten anheizen. Mangelnde Vernetzung ist hingegen kein Grund: Zwar ist das Internet nicht so weit verbreitet wie etwa in Ägypten. Afrikaner nutzen stattdessen aber SMS übers Handy. Selbst entlegenste Winkel sind mittlerweile ans Mobilfunknetz angeschlossen.

Deshalb warnt Basedau vor vorschnellen Schlüssen, auch wenn es im südlichen Afrika noch ruhig ist. "Schließlich hat auch niemand die Entwicklung in Nordafrika vorhergesehen - Protestpotenzial gibt es jedenfalls genug." Die wenigen Proteste im Sudan und in Dschibuti - beides arabisch geprägte Länder - wurden von der Staatsgewalt schnell niedergeschlagen.

In Simbabwe wurden Oppositionelle verhaftet, die über Proteste gegen den greisen Präsidenten Robert Mugabe beraten wollten. Doch gerade diese Übervorsicht zeigt womöglich, dass Afrikas Potentaten begonnen haben, ihr Volk zu fürchten.

epd