Kirche will Missbrauchsopfer rasch entschädigen
Seit einem Jahr ist der Trierer Bischof Stephan Ackermann als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz mit den Folgen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche betraut. Vieles ist geschafft. Eine Antwort auf die Frage der Opferentschädigung steht aber noch aus.
25.02.2011
Von Birgit Reichert

Die Opfer sexuellen Missbrauchs in katholischen Einrichtungen müssen aber nicht mehr lange auf eine Entschädigung warten. "Mit den Zahlungen soll noch in diesem Jahr begonnen werden", so Ackermann. Die Kirche werde ihr Paket nach Abstimmung mit dem Runden Tisch der Bundesregierung in der ersten Märzhälfte vorstellen. "Und dann kann es laufen."

"Wir verstehen, dass es eine Ungeduld von einer ganzen Reihe von Opfern gibt. Der Druck ist da", betont der Geistliche. Die Summen sind auch von den 27 Diözesanbischöfen schon beschlossen, aber noch nicht offiziell. 2.000 und 5.000 Euro je Opfer seien "nicht abwegig", formuliert der Bischof vorsichtig. In besonders gravierenden Fällen könne es aber auch mehr sein. "Uns ist wichtig, dass die Entschädigung sich aber nicht nur auf eine Summe fixiert", so der 47-Jährige. Zum Paket gehörten auch Bausteine wie die Einrichtung eines Präventionsfonds und die Übernahme von Therapiekosten.

Leitlinien verschärft, Hotline eingerichtet

Vieles hat sich bei den Katholiken getan, seit eine große Enthüllungswelle von Missbrauchsfällen Anfang 2010 ihren Anfang nahm und die Kirche erschütterte. Eine Telefonhotline für die Opfer sexueller Übergriffe wurde geschaltet, die Leitlinien für dem Umgang mit Missbrauch an Kindern und Jugendlichen wurden verschärft und neue Regeln für Kindergärten, Schulen und Internate eingeführt. "Wenn ich auf einer Skala von 1 bis 10 sagen sollte, wie meine Zufriedenheit im Blick auf die Bilanz ist, dann würde ich sagen 6. Über die Hälfte dessen, was wir uns vorgenommen haben, haben wir auf den Weg gebracht", fasst der Bischof zusammen.

Als nächstes steht die Abwicklung der materiellen Entschädigung an: Dafür soll ein Gremium bei der Bischofskonferenz eingerichtet werden, das die Anträge einzeln anschaut - und nicht pauschal zahlt. Es könne gut sein, dass da "zunächst mal eine Flut von Anträgen kommt". Wie das Gremium besetzt wird, sei noch unklar. Die meisten sexuellen Übergriffe durch Priester auf Kinder und Jugendliche passierten zwischen 1950 und 1980.

Auch die Institution ist verantwortlich

Zahlen soll zunächst der Täter. Wenn dieser aber nicht in die Pflicht genommen werden könne, trete die katholische Kirche ein. "Es soll eine spürbare Nähe geben zwischen Opfern und Täterverantwortung oder Institution", sagt Ackermann. Will heißen, dass bei denen, die im Bistum Trier Missbrauch erlitten haben, auch das Bistum zahlt. "Es geht um die konkrete Geste, die deutlich machen will: Was einem Menschen an grausamem Unrecht geschehen ist, das erkennen wir auf diese Weise, nicht nur mit Worten an."

Der Jesuitenorden hatte bereits einen Betrag von 5.000 Euro pro Opfer vorgeschlagen. Der Runde Tisch Heimkinder hat sich auf einen Fonds in Höhe von 120 Millionen Euro verständigt - das wären 2.000 bis 4.000 Euro pro Opfer. Vielen Betroffenen ist das viel zu wenig, Opfervereinigungen fordern weit höhere Entschädigungssummen.

Noch keine genauen Zahlen bekannt

Daneben will die Kirche den Missbrauchsskandal wissenschaftlich aufarbeiten lassen. "Hier geht es auch darum, die genauen Zahlen zu ermitteln", unterstreicht der Bischof. Denn die derzeit kursierenden Zahlen würden oft nicht zwischen Opfern, Taten und Tätern unterscheiden. Bei dem Wissenschaftspaket werde mit Experten von außerhalb der Kirche zusammengearbeitet, die den Dingen "aus kriminologischer und forensischer Perspektive" auf den Grund gingen. Auch, um Strukturen zu erkennen, die sexuelle Übergriffe begünstigen. "Im Bistum Trier haben sich von 1950 angefangen 40 Opfer gemeldet." Wie viele Opfer es bundesweit sind, konnte der Bischof noch nicht abschätzen. "Das müssen wir noch exakt erheben."

Und wie lange bleibt der 103. Bischof von Trier als Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz im Amt? "Eine Zeitbegrenzung gibt es bisher nicht. Es geht ja darum, einen 'Kümmerer' zu haben, der sich des Themas annimmt. Mit all den noch offenen Fragen wird die Aufgabe auf absehbare Zeit noch gebraucht", sagt Ackermann, dessen Amt als Beauftragter allein schon ein Vollzeitjob ist. Er ist deshalb froh über eine baldige Entlastung in der Diözese Trier: Helmut Dieser (48), Pfarrer in Adenau in der Eifel, wird neuer Weihbischof.

dpa