TV-Tipp des Tages: "Allein gegen die Angst" (3sat)
Die Welt von Jochen ist in Ordnung: Er hat einen guten Job in einem Tabakkonzern, eine tolle Villa, eine schöne Frau und eine Geliebte. Doch von einem Tag auf den anderen ist alles vorbei.
25.02.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Allein gegen die Angst", 1. März, 20.15 Uhr auf 3sat

Der Titel legt es nahe: Dies ist kein Film zum Wohlfühlen. Und die Hauptfigur lädt nicht gerade zur Identifikation ein, zumal sie geradewegs aus einer griechischen Tragödie stammen könnte. Die Idylle zu Beginn markiert bloß die Fallhöhe.

Tatsächlich kommt der Sturz aus heiterem Himmel. Martin Eiglers Geschichte beginnt mit einem Fest. Die Welt von Jochen (Harald Schrott) ist in Ordnung: Er hat einen guten Job in einem Tabakkonzern, eine tolle Villa, eine schöne Frau (Anja Kling) und eine Geliebte. Und dann ist von einem Tag auf den anderen alles vorbei: Weil seine Freundin Ärger mit ihrem Chef hatte und ihr dessen Bilanzen ohnehin komisch vorkamen, hat sich Jochen der Sache angenommen. In der Hoffnung, zwei Fliegen mit einer Klappen zu erwischen, übergab er die gefälschten Bilanzen der Polizei. Die aber kam einem viel größeren Ding auf die Spur: Der Konzern ist in Zigarettenschmuggel verwickelt; und jetzt will die Mafia Jochens Kopf. Seine Familie muss alles stehen und liegen lassen und untertauchen, was gerade die halbwüchsige Tochter (Lea Kurka) gar nicht einsieht.

Fall und Bedrohung bleiben völlig im Dunkeln; Eigler konzentriert sich fast ausschließlich auf die Familie, deren sorgsam gepflegte Fassade im Nu die üblichen Risse bekommt. Gerade Gattin Marlene fällt aus allen Wolken, denn sie wusste nichts von Jochens Kontakt zur Polizei. Härter noch als die Affäre trifft sie die Erkenntnis, dass seine Geliebte informiert war.

Von Entspannungsfernsehen kann keine Rede sein

Dank seiner ausgezeichneten Darsteller kann es sich Eigler leisten, die Geschichte streckenweise als Kammerspiel zu inszenieren, um die implosive Absurdität der Situation voll auszukosten: Marlene will bloß noch weg von Jochen, ist aber gemeinsam mit ihm quasi gefangen in einem Haus am Meer. Der Film intensiviert die klaustrophobische Enge noch, als sich zwangsläufig Beziehungen zwischen dem Ehepaar und ihren Beschützern ergeben: Einer der Polizisten (Jan-Gregor Kremp) empfindet mehr für Marlene, als der sensiblen Konstellation gut tut. Und als die Mafia einen Killer schickt, ist auch klar, dass es bei der Polizei ein Leck geben muss; der Verdacht fällt auf den zweiten Bewacher (Christoph Bach).

Kein Wunder, dass bei dieser durch die entsättigten Farben (Kamera: Christoph Chassée) noch betonten Bedrohung auf gleich drei Ebenen von Entspannungsfernsehen keine Rede sein kann. Und mehr noch: Die diversen Krimi- und Thriller-Elemente, mit denen Eigler dann doch gelegentlich die Regeln des Genres bedient (Schießereien, Stromausfall), wirken fast wie Fremdkörper. Der permanente Autotausch oder die geheimen Treffen in Tiefgaragen sind der konspirativen Atmosphäre ungleich zuträglicher; auch wenn das gleichgültige Blutbad zu Beginn natürlich demonstrieren soll, mit welcher Kaltblütigkeit der Feind selbst kleine Fische bestraft. Diese Geschichte über die gründliche Demontage einer Familie mit einem Happy End zu schließen, wäre verlogen gewesen.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).