Die grundsätzliche Ehrlichkeit fehlt Plagiator Guttenberg
Die Bundeskanzlerin wollte sich nicht anhören, wie sich Karl-Theodor zu Guttenberg vor dem Bundestag verteidigte. Vielleicht, weil sie schon ahnte, dass Guttenberg keine schlüssige Verteidigung aufbringen würde, um die "handwerklichen Fehler" in seiner Doktorarbeit aufzuklären. Durch seine Salami-Taktik der Zugeständnisse hat der Verteidigungsminister viel Glaubwürdigkeit verspielt. Für eine Leitungsfunktion hat er sich disqualifiziert.
24.02.2011
Von Hanno Terbuyken und Anne Kampf

"Ja, wir stehen zu Guttenberg!" titelte die Druckausgabe der Bild-Zeitung mit Freude über die 87 Prozent positiven Stimmen, die der Verteidigungsminister bei der Leserumfrage einheimsen konnte. In den Kommentaren der Leser dort entsteht der Eindruck, Guttenberg mache eine gute Arbeit als Minister, und daran rüttele eine in vielen Teilen abgeschriebene Doktorarbeit auch nichts.

Der Minister selbst blieb während der beißenden Fragestunde gestern im Bundestag bei seiner Position, handwerkliche Fehler gemacht, aber nicht absichtlich getäuscht zu haben.

Nur: Es fällt schwer, ihm das zu glauben. Wer sieben Jahre "in mühevoller Kleinarbeit" seine Doktorarbeit schreibt, der weiß, wo seine Inhalte herkommen.

Guttenberg selbst hat die Begründung für das Arbeiten mit Plagiaten geliefert, als er seine Erklärung zum Thema abgab: die Belastung durch seine Abgeordneten- und Ministertätigkeit, dazu die Herausforderung als junger Familienvater: "Für mich stellte das offenbar eine Überlastung dar." Wenn man wenig Zeit hat, aber trotzdem seinen Doktor machen wollte, wäre das heimliche Übernehmen von fremden Inhalten eine gute Möglichkeit, trotzdem fertig zu werden, weil es einfach schneller geht als selbst zu denken.

Das hieße aber, dass Karl-Theodor zu Guttenberg bewusst getäuscht hätte. Und das bestreitet der Minister nach wie vor vehement.

Abschreiben ist Betrug, das lernt man schon in der Schule

Also muss man sich auf die von ihm selbst eingestandenen "handwerklichen Fehler" zurückziehen. Dann hat Karl-Theodor zu Guttenberg so schlampig gearbeitet, dass er wirklich nicht gemerkt hat, wann und wo er wörtlich oder fast wörtlich Inhalte übernommen hat, ohne die Quelle zu kennzeichnen, und zwar auf drei Vierteln aller Seiten seiner Doktorarbeit, wie im Guttenplag-Wiki belegt wird. Das hieße auch, dass der Freiherr beispielsweise nicht wusste, dass man übersetzte Zitate aus dem Englischen auch als Zitate kennzeichnen muss, dass man auch Zeitungsartikel als Quelle zitieren muss und so weiter.

Für jeden Akademiker wäre das ein außerordentlicher Grad von Dummheit, und die Universität Bayreuth hätte Guttenberg in dem Fall nie den Grad eines Doktors, geschweige denn einen Studienabschluss geben dürfen. Denn das ist nun wirklich etwas, was man schon in der Schule lernt: Abschreiben ist Betrug.

Entweder muss man Guttenberg also Dummheit unterstellen oder bewusste Täuschung. Beides sind keine Voraussetzungen für einen Ministerposten.

Dabei geht es gar nicht darum, ob seine Doktorarbeit irgendwas mit dem Verteidigungsministerium zu tun hat. Selbst wenn er eine Promotion über das Wachsen von Schimmelpilzen auf der Butter im Kühlschrank abgeschrieben hätte, wären der Betrug unverzeihlich oder die Dummheit erstaunlich. Wenn er nicht noch ein rettendes Kaninchen aus dem Hut zaubert, hat sich Karl-Theodor zu Guttenberg entweder intellektuell oder moralisch für einen leitenden Posten in der Regierung dieses Landes disqualifiziert.

Ernstgemeinte Entschuldigungen auch ernst nehmen

Manche sagen: Es ist doch egal, jeder Politiker betrügt und lügt. Vielleicht ist das so, aber die, die erwischt werden, bleiben in der Regel nicht besonders lange im Amt – insbesondere, wenn sie zum persönlichen Vorteil betrogen haben. Trotz aller Politikverdrossenheit sind Politiker immer noch Vorbilder. Kein Lehrer in diesem Land kann mehr vermitteln, dass Abschreiben eine Verfehlung ist, wenn das beim Minister als Bagatelldelikt abgetan wird.

Manche sagen: Er hat sich doch entschuldigt. Stimmt. Guttenberg hat zumindest zugegeben, unabsichtlich Fehler gemacht zu haben, und sich dafür entschuldigt. Alle Menschen machen Fehler, Gott rechnet sie uns nicht an, und deswegen sollen auch Menschen einander vergeben – das ist die Grundregel. Deswegen muss man eine ernst gemeinte Entschuldigung auf jeden Fall ernst nehmen.

Warum hat man aber in Guttenbergs Fall den Eindruck, als fehle da noch irgendwas? Weil er erst gestanden hat, als der öffentliche Druck ihn dazu zwang. Weil man ihm kaum abnimmt, dass er die ganze Wahrheit gesagt hat. Es geht nicht nur um seinen offenbar durch Schummeln erworbenen Doktortitel, sondern es geht um ein Verhalten, das wir als Wähler von einem Mitglied der Regierung (wie übrigens von jedem anderen Menschen auch) grundsätzlich erwarten dürfen: Ehrlichkeit. Wir möchten von Karl-Theodor zu Guttenberg die ganze Wahrheit erfahren, und zwar nicht erst, nachdem sie in der Zeitung stand.


Hanno Terbuyken und Anne Kampf sind Redakteure bei evangelisch.de.