"Hey, das war ein klares Foul!" Motorengeheul, Popsongs, Gewehrschüsse - das ist die Geräuschkulisse auf Etage drei des Deutschen Bundestages. Direkt unter der gläsernen Kuppel geht es am Mittwochabend etwas anders zu als sonst. Etwa dreißig verschiedene Spielkonsolen sind aufgebaut, die Bandbreite ist groß: Sie reicht von Geschicklichkeitsspielen über virtuelle Formel-1-Rennen bis hin zu umstrittenen Killerspielen wie "Counter-Strike". Vertreter der jeweiligen Hersteller erklären, wie sie funktionieren. Es wirkt wie eine Messe für Computerspiele.
Rund fünfzig Abgeordnete sind der Einladung von Dorothee Bär (CSU), Jimmy Schulz (FDP) und Manuel Höferlin (FDP) zur "Ersten Politiker-LAN-Party" im Bundestag gefolgt. Mit der Initiative wollten sie ihren Kollegen die Möglichkeit geben, sich direkter mit Computerspielen zu beschäftigen und "etwas mehr Verständnis für das Thema in den Plenarsaal zu bringen", sagt der FDP-Internetexperte Schulz. Politiker sollten öfter selbst erleben, worüber sie entscheiden, meint der Abgeordnete.
Brigitte Zypries mag lieber Ratespiele
Neben vielen Volksvertretern der CDU/CSU und der FDP lässt sich auch die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) blicken. "Mir machen Spiele, die man real in der Gruppe machen kann, viel mehr Spaß - wie Pantomime oder Ratespiele zum Beispiel", sagt Zypries. Trotzdem versucht sie sich in einem virtuellen Tennismatch. Vor einem großen Monitor macht sie Bewegungen wie beim Tennis und hält einen Stab in der Hand, der aussieht wie ein Mikrofon. Daran ist ein Sensor befestigt, der ihre Vor- und Rückhand auf das Computerspiel überträgt. Der Bildschirm ist zweigeteilt, er zeigt jeweils die Sicht beider Spieler. Diese Ansicht irritiert Zypries, sie spielt unsicher.
"LAN" steht für "Local Area Network". Manuel Höferlin erklärt, auf solchen Parties könne man sehen, dass es den Teilnehmern um ein Miteinander geht, das durch das vernetzte digitale Spielen möglich wird. Solche LAN-Partys als Informationsveranstaltung zu nutzen, ist nicht neu: Die Bundeszentrale für politische Bildung hat bereits Netzwerkpartys speziell für Eltern organisiert. Ziel dieser Parties war es, eine kritische Auseinandersetzung mit Computerspielen zu ermöglichen.
Geht es um Gewalt oder um Teamgeist?
Vor allem sogenannte "Ego-Shooter", Gewalt verherrlichende Spiele, sorgten in der Vergangenheit für Diskussionen. Nach dem Amoklauf von Winnenden im März 2009 wurden wiederholt Forderungen nach einem gesetzlichen Verbot von Gewaltspielen laut. Bislang sind sie erlaubt. Christoph Dölger, ein Profi-Spieler, verteidigt auf der Bundestag-LAN-Party Spiele wie Counter-Strike: "Bei dem Spiel geht es nicht primär ums Töten, um sich irgendwie abzureagieren oder sonst was. Sondern darum, dass man zusammen mit seinen Freunden als Team gegen ein anders Team spielt."
Die Studie "Kompetenzen und exzessive Nutzung bei Computerspielern: gefordert, gefördert, gefährdet" der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Ergebnis, dass nur zwei Prozent der befragten Computerspieler ein auffälliges Spielverhalten zeigen. Nicht das Spiel sei es, das süchtig mache, sondern die sozialen Umstände, sagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP).
Dyckmans probiert ein Geschicklichkeitsspiel auf einer handlichen Spielkonsole aus und legt den Computer genervt zur Seite: "Bei solchen Spielen bin ich wirklich nicht sehr geschickt, das macht mich nervös", erklärt sie.
Zypries zeigt sich enttäuscht von der Veranstaltung: "Ich hatte gehofft, dass ich hier mehr über die süchtig machenden Faktoren lerne, aber davon habe ich noch nichts mitgekriegt", bedauert die Ex-Ministerin. Zumindest haben die Parlamentarier ihren Spaß beim virtuellen Fußballspiel, der Formel-1-Simulation oder Super Mario.