Neue Kämpfe in Libyen: Der Diktator schlägt zurück
Sein zurückgetretener Justizminister glaubt, er werde wie Hitler enden, aber Gaddafi lässt sich von den Protesten gegen sein blutiges Regime vorerst nicht beeindrucken. Ihm ergebene Truppen greifen die Stadt Al-Sawija an, seine Söhne kämpfen an der Propagandafront. Bundesaußenminister Westerwelle nennt Gaddafi einen Diktator und dringt auf Sanktionen. Die Ausländer fliehen aus dem Land aus Angst vor einer weiteren Eskalation.

Libyens Herrscher Muammar al-Gaddafi klammert sich mit Macht an seine Macht. Das Land versinkt in blutigen Aufständen. Gaddafi verlässt sich dabei nicht nur auf das Militär des Landes, sagte der zurückgetretene libysche Justizminister Mohamed Abdul al-Jeleil am Donnerstag. Al-Jeleil bestätigte in dem Interview mit der schwedischen Zeitung "Expressen", dass Gaddafi ausländische Söldner zur Bekämpfung des Volksaufstandes einsetzt: "Ich weiß davon, dass das Regime schon lange vorher diese Söldner angeheuert hat. Bei mehreren Kabinettssitzungen wurde beschlossen, diesen Leuten aus dem Tschad und Niger die libysche Staatsbürgerschaft zuzuerkennen."

"Gaddafis Tage sind gezählt. Er wird es wie Hitler machen und sich das Leben nehmen", prophezeite der zurückgetretene Minister. Außerdem enthüllte er, Gaddafi habe persönlich 1988 den Befehl zum Lockerbie-Terroranschlag mit 270 Toten gegeben: "Ich habe zu hundert Prozent sichere Beweise dafür."

Die internationale Empörung über das Morden in Libyen kann Machthaber Gaddafi aber vorerst nicht stoppen. Libysche Truppen sollen am Donnerstag die Stadt Al-Sawija südwestlich der Hauptstadt Tripolis angegriffen haben. Al-Sawija gleiche einem "Schlachthaus", sagte ein Augenzeuge am Donnerstag dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabija. "Es ist schwer, jetzt die vielen Toten und Verletzten in der Stadt zu zählen."

Gaddafi-Sohn: "Mein Vater wird bleiben"

Der Gaddafi-Sohn Saif al-Islam widersprach Berichten über Angriffe der libyschen Luftwaffe auf Zivilisten. Seit Beginn der Unruhen seien einige wenige Menschen gestorben, sagte er im libyschen Rundfunk . "Aber (...) von hunderten oder tausenden zu sprechen und von Luftangriffen, das ist ein Witz selbst vom militärischen Standpunkt aus", sagte er. "Denn wie kann man mit Flugzeugen Demonstranten angreifen, selbst wenn man töten will?"

In den vergangenen Tagen war in arabischen Medien immer wieder von Luftangriffen auf Kasernen und Munitionsdepots berichtet worden. Damit habe verhindert werden sollen, dass Waffen in die Hände von Aufständischen gelangen oder von übergelaufenen Soldaten mitgenommen würden. Allerdings war unter Berufung auf Augenzeugen auch berichtet worden, dass in Tripolis Kampfflugzeuge das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten eröffnet hätten.

Al-Saadi, ein anderer Gaddafi-Sohn, sagte der "Financial Times" (Donnerstag) in einem Telefoninterview , 85 Prozent des Landes seien "sehr ruhig und sehr sicher". Sein Bruder Saif al-Islam arbeite derzeit an einer Verfassung für Libyen. Sein Vater werde künftig als Berater einer neuen Regierung fungieren, sagte Al-Saadi. "Mein Vater wird bleiben als großer Vater, der Ratschläge gibt."

Westerwelle: "Gaddafi ist ein Diktator"

Angesichts der vielen Opfer beim Aufstand gegen das Gaddafi-Regime wächst die Empörung. Das Thema Sanktionen wird aber unterschiedlich angefasst. US-Präsident Barack Obama äußerte sich erstmals öffentlich zum Thema, erwähnte Sanktionen aber mit keinem Wort: "Diese Gewalt verletzt internationale Normen und jedes normale Maß an Anstand. Diese Gewalt muss aufhören." Einen Rücktritt Gaddafis forderte Obama aber nicht. Bundesaußenminister Guido Westerwelle war da deutlicher: "Gaddafi ist ein Diktator, der gegen das eigene Volk vorgeht", sagte er nach einem Treffen mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa. Westerwelle forderte Sanktionen gegen das Regime.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kündigte an, dafür sorgen zu wollen, dass die Verantwortlichen vor ein internationales Gericht kommen. Alle, die das "brutale Blutvergießen an Unschuldigen" in Libyen anordnen, müssten bestraft werden. Seine Völkermordexperten beurteilten die Attacken auf Zivilisten als schwerste Verstöße gegen die Menschenrechte.

Noch 160 Deutsche in Libyen

Aus Furcht vor einer weiteren Eskalation hält der Flüchtlingsstrom der Ausländer aus Libyen an.Nach Schätzungen des Auswärtigen Amts halten sich noch etwa 160 Deutsche in Libyen auf. Man prüfe weiter mit Hochdruck alle Möglichkeiten, sie mit Flugzeugen, Schiffen oder auf dem Landweg aus dem Land zu bringen. "Die Gefährdungslage ist nach wie vor hoch", sagte eine Sprecherin am Donnerstag auf dpa-Anfrage. Die deutsche Luftwaffe hatte am Mittwoch 47 deutsche und weitere Passagiere aus 15 Nationen ausgeflogen. Die Heimkehrer berichteten von chaotischen Zuständen am Flughafen in der libyschen Hauptstadt Tripolis.

Im Osten Libyens hatten die Bewohner mehrerer Städte bereits am Mittwoch die "Befreiung" ihrer Region von der Gaddafi-Herrschaft gefeiert. Augenzeugen berichteten, in den östlichen Städten Bengasi und Tobruk seien die Vertreter der Staatsmacht entweder verschwunden oder hätten sich den Aufständischen angeschlossen.

dpa