"True Grit" von den Coens: "Wir machen unser Ding"
Mit ihrem ureigenen Stil, der Exzentrik stets mit filmhandwerklicher Brillanz verbunden hat, haben sich die Gebrüder Joel und Ethan Coen durch Filme wie "Fargo", "The Big Lebowski" oder "No Country for Old Men" erfolgreich dem amerikanischen Mainstreamkino entzogen und trotzdem weltweit ein immer größer werdendes Publikum gefunden. Mit "True Grit", der in zehn Kategorien für den Oscar nominiert ist, verneigen sich die Coens nun vor dem Westerngenre.
24.02.2011
Die Fragen stellte Martin Schwickert

Als Vorlage für "True Grit" diente der gleichnamige Roman von Charles Portis, der 1968 erschienen ein Jahr später bereits schon einmal mit John Wayne in der Hauptrolle unter der Regie von Henry Hathaway verfilmt worden ist. Im Zentrum der Story steht die 14jährige Mattie Ross (Hailee Steinfeld), die 1872 nach Fort Smith kommt, um den Mörder ihres Vaters an den Galgen zu bringen und dafür den ruchlosen US-Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges) anheuert. Ein Interview mit Ethan und Joel Coen zu "True Grit".

"True Grit" hat in den USA bereits über 150 Millionen Dollar eingespielt und ist damit der erfolgreichste aller Coen-Filme? Können Sie sich das erklären?

Joel Coen: Nein, wir sind selbst vollkommen überrascht vom kommerziellen Erfolg des Films in den USA. Das hätten wir nie erwartet. Das ist einfach verrückt.

Aber was zieht das Publikum im Jahr 2011 in einen Western?

Joel: Ich denke, das wäre eine interessante Aufgabe für einen Sozialwissenschaftler. Ein Kolumnist der "New York Times" hat in einem Artikel genau erklärt, warum der Film gerade jetzt bei den Zuschauern so gut ankommt. Aber ich bin mir sicher, dass wenn der Film beim Publikum durchgefallen wäre, hätte er das genauso gut erklären können. Ich finde es immer verdächtig, wenn man ein Phänomen nachträglich erklärt.

Was hat Sie an dem Roman von Charles Portis, der ja schon einmal mit John Wayne verfilmt worden ist, interessiert?

Joel: Wir haben einfach ignoriert, dass es schon eine Verfilmung gibt. Der Roman ist in der ersten Person erzählt von einem 14jährigen Mädchen mit einer humorvollen und sehr eindringlichen Stimme. Diese Erzählperspektive ist äußerst interessant. Wir wollten die Story genauso erzählen, wie Charles Portis es getan hat. Aus filmischer Sicht ist das eine ganz einfache, geradeaus erzählte Geschichte einer Rache um diese drei interessanten Figuren herum. Das war für uns ein eine vielversprechende Grundlage für einen Film.

Macht es für Sie einen Unterscheid, ob Sie eine Romanfigur erforschen oder eine eigene neu erschaffen?

Ethan Coen: Komischerweise ist da kein großer Unterscheid.

Joel: In einer Adaption adoptiert man die Figuren und das fühlt sich dann nicht anders an, als wenn man sie selbst erschaffen hat.

"Wir wussten, Hailee Steinfeld wird ihre Rolle in den Griff bekommen"

 

Ist "True Grit" ein Frauenwestern?

Ethan: Es stimmt natürlich, dass Western normalerweise in einer eher männlichen Welt erzählt werden.

Joel: Und das genau macht ja die Anziehungskraft dieser Geschichte aus, die ja nicht nur mit einer weiblichen, sondern auch von einer sehr jungen Stimme erzählt wird. Von einem Kind, das im Inneren schon wie eine Erwachsene ist. Eigentlich ist sie von den Dreien die einzige Erwachsene.

Und damit ruht Ihr Film auch auf den Schultern einer 14jährigen Schauspielerin. Ist das nicht ein sehr großes Risiko?

Joel: Oh ja, wir wussten, dass wir mit einem Fehler bei der Besetzung dieser Rolle den ganze Film vermasseln würden. Da haben wir uns große Sorgen gemacht. Aber als wir Hailee Steinfeld getroffen haben, wussten wir sehr schnell, dass sie die Sache in den Griff bekommt.

Bei "Big Lebowski" hat Jeff Bridges lange gezögert, bis er die Rolle des "Dude" angenommen hat, die dann zur Kultfigur wurde. Ging es diesmal schneller?

Ethan: Jeff Brides entscheidet sich immer sehr langsam, wenn es um ein Rollenangebot geht. Bei "Big Lebowski" haben wir fast ein Jahr auf die Zusage gewartet. Aber bei "True Grit" war das anders. Er hat das Buch gelesen und zugesagt.

Joel: Viele Schauspieler lassen sich Zeit mit der Entscheidung. Sie wollen sicher gehen, dass sie keinen Fehler machen. Da muss man als Regisseur oft Überzeugungsarbeit leisten.

"Wir machen unser eigenes Ding"

 

Sie machen seit dreißig Jahren zusammen Filme. Wie entwickeln Sie gemeinsam Ihre Ideen?

Ethan: Ja, wer von uns beiden hat eigentlich die Ideen?

Joel: Er hat die Ideen und ich sage: Nein, das ist nicht gut.

Ethan: Nein, wir teilen uns alle kreativen und organisatorischen Verantwortlichkeiten.

Joel: Wir versuchen schon seit dreißig Jahren vergeblich auf diese Frage eine zufriedenstellende Antwort zu geben. Film ist immer eine kollaborative Sache. Wir haben andere Leute, mit denen wir auch schon sehr lange arbeiten. OK, wir sind Brüder, aber wir haben zueinender dieselbe intensive Arbeitsbeziehung, wie etwa zu unserem Kameramann Roger Deakins, mit dem wir schon seit zwanzig Jahren zusammenarbeiten.

Viele sagen, dass gerade in der Filmindustrie, Erfolg korrumpiert. Ihren Filmen merkt man davon nichts an. Wie gehen Sie mit Ihrem Erfolg um?

Ethan: Ich kann Ihnen versichern, dass Erfolg für den eigenen, privaten Lebensstil nicht immer ein Segen ist. Aber klar, zuviel Erfolg kann gefährlich sein, aber auch aus einem Misserfolg kann man verbittert die falschen Schlussfolgerungen ziehen.

Joel: Man braucht eine Mischung aus beidem, um seine eigene Richtung zu finden.

Wie gelingt es Ihnen Ihre eigene Richtung in Hollywood so erfolgreich zu verteidigen?

Ethan: Wir mussten uns über unsere Position in der Filmindustrie nie viel Gedanken machen. Wir haben immer unsere eigenen Drehbücher entwickelt und mussten in Hollywood nie nach einem Job suchen.

Joel: Wir leben ja nicht in Los Angelas, sondern in New York. Dadurch sind wir ein wenig abseits des ganzen Trubels. Wir werden in Ruhe gelassen, machen unser eigenes Ding und haben das Privileg, dass unsere künstlerische Unabhängigkeit nie in Frage gestellt wird. Aber wir arbeiten auch ein wenig unter dem Radar. Das hängt vor allem mit dem relativ niedrigen Budget unserer Filme zusammen. Auch wenn einer mal an der Kinokasse mit Mast und Segel untergehen würde, wäre das keine ernsthafte Bedrohung für das ökonomische Wohlergehen des Filmstudios. Wenn wir Filme machen wollten, die 150 Millionen Dollar kosten, dann wären auch wir unsere künstlerische Autonomie ganz schnell wieder los.


Martin Schwickert ist freier Filmjournalist.