Die Plagiatur des Kreises: Guttenberg kein Doktor mehr
"Hochstapler", "jämmerliches Vorbild", "Lügner" - solche Vorwürfe musste sich Guttenberg wegen der Affäre um seine Doktorarbeit von der Opposition im Bundestag anhören. Für die Union eine "unerträgliche Skandalisierung". Der Minister bemühte sich um Fassung. Am Abend des gleichen Tages erkannte ihm die Promotionskommission der Universität Bayreuth den Titel offiziell ab.
23.02.2011
Von Michael Fischer

Karl-Theodor zu Guttenberg steht aufrecht, fast stramm hinter seiner Regierungsbank im Plenarsaal des Bundestags. Noch hat er seinen Doktor, offiziell zumindest, auch wenn er ihn schon zurückgegeben hat. Die Hände ineinandergelegt beantwortet er möglichst geduldig die Fragen der Abgeordneten. Begriffe wie "Täuschungsmanöver" oder "Verhöhnung" lässt er demonstrativ von sich abprallen. Auch die Frage nach seinem Rücktritt soll ihn nicht aus der Fassung bringen. "Sie sehen, ich stehe hier", antwortet er darauf.

Am Montag, in der Stadthalle des hessischen Provinzstädtchens Kelkheim, war das noch anders. Bei seiner ersten ausführlichen Erklärung zur Plagiatsaffäre wirkte er nervös, lavierte zwischen Angriffslust und Selbstironie, um seine Fehler zu erklären. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob er mit seinem Verzicht auf den Doktortitel als einzige Konsequenz durchkommen würde.

Der Weg zurück zur Souveränität ist steinig

Jetzt scheint sich Guttenberg sicherer fühlen. Die Kanzlerin hat sich mehrfach hinter ihn gestellt, die Unionsfraktion am Dienstag ebenfalls. Lediglich wenige kritische Stimmen gibt es bisher aus den eigenen Reihen - zumindest öffentlich. Den Kniefall vor der Öffentlichkeit hat Guttenberg hinter sich, jetzt sucht er den Weg zurück zur Souveränität.

Die Debatte am Mittwoch im Bundestag versetzt ihn trotzdem noch einmal auf eine Anklagebank. So heftige Vorwürfe hat es im Parlament gegen einen Minister wohl selten gegeben hat. Als "Hochstapler", "Lügner" und "jämmerliches Vorbild" attackieren ihn die Oppositionsabgeordneten. Hohn, Spott und Empörung schallt Guttenberg entgegen.

"Ich appelliere an ihre Ehre", sagt der Linke-Abgeordnete Dietmar Bartsch. "Früher wusste der Adel, was er an solch einer Stelle zu tun hat." Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wirft dem CSU-Politiker "vorsätzliche und planmäßige Übernahme fremden Gedankenguts" vor. "Sie haben getäuscht, Sie haben betrogen, Sie haben gelogen", sagt er. "Sie haben die Bodenhaftigkeit verloren."

"Eine Unverschämtheit", aber in der Sache nichts neues

Guttenberg blättert während der Rede des Sozialdemokraten in seinen Unterlagen. Verteidigt wird er in der Debatte unter anderen vom CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. "Das ist keine ordnungsmäßige parlamentarische Opposition, das ist eine Unverschämtheit", regt der sich auf. Guttenberg habe "alle Fragen ordnungsgemäß, ausführlich, überzeugend beantwortet".

In der Sache bringen weder die 41-minütige Befragung Guttenbergs noch die anschließende eineinhalbstündige Debatte im Bundestag neue Erkenntnisse. Guttenberg erklärt seine zahlreichen Patzer beim Zitieren weiterhin mit schlichter Überforderung: "Ich war sicher so hochmütig zu glauben, dass mir die Quadratur des Kreises gelingt", sagt er mit Hinweis auf seine damaligen politischen, wissenschaftlichen und familiären Herausforderungen.

Viele Abgeordnete im Plenarsaal wundern sich über eine andere Quadratur des Kreises: Wie kann man in solch großem Stil fremde Textstellen ungekennzeichnet in eine Arbeit übernehmen, ohne dass es einem auffällt? Hinweise auf das Guttenplag-Wiki, in dem Internet-Nutzer nach Plagiaten suchen, wischt Guttenberg vom Tisch: Die Recherchen dort müssten erst überprüft werden, von einer Quelle, der er vertraue.

Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin schließt seine Rede mit einer literarischen Fußnote. Er verweist auf Thomas Manns Roman über den Hochstapler Felix Krull und appelliert an die nicht anwesende Bundeskanzlerin: "Die Bundeswehr darf nicht mehr von einem Felix Krull kommandiert werden, entlassen Sie Herrn Dr. zu Guttenberg." Die Grünen hatten sich bis dahin als einzige Oppositionsfraktion mit Rücktrittsforderungen zurückgehalten.

"Betrug", "Lüge" und trotzdem noch beliebt in der Bevölkerung

Ein prominenter Parteifreund Trittins musste sich vor zehn Jahren ebenfalls einmal wegen seiner persönlicher Vergangenheit in einer Fragestunde im Bundestag den Angriffen der Abgeordneten stellen. Der damalige Außenminister Joschka Fischer hatte sich damals für seine Zeit als Frankfurter Straßenkämpfer zu verantworten. Er kam als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands durch.

Diesmal ist der Vorwurf der Opposition aber schwerwiegender. Sie bezichtigt Guttenberg nicht nur der Schlamperei, sondern des "Betrugs" und der "Lüge". Seine Kraft für die weitere Auseinandersetzung wird der Minister nicht nur aus der Unterstützung der Union schöpfen, sondern vor allem aus dem Rückhalt in der Bevölkerung. Seine Beliebtheit ist nach einer Umfrage vom Mittwoch sogar noch gestiegen.

Wenn sich Vorwürfe neuer Qualität gegen Guttenberg bestätigen sollten, könnte es aber noch einmal eng für den Minister werden. Die Opposition wird in der Affäre nicht locker lassen. Ein Ansatzpunkt sind Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, von denen Guttenberg laut SPD sechs in seine Arbeit übernommen haben soll. Dem Minister sind nach eigenen Angaben nur vier bekannt. "Von sechs weiß ich bisher nichts, ich freue mich, wenn ich sie sehe", sagt er im Bundestag. Er sei "dankbar für jeden zusätzlichen Hinweis, was meine Arbeit anbelangt".

Universität Bayreuth erkennt ihm den Doktor offiziell ab

Parallel zur Bundestagsdebatte tagte die Promotionskommission der Universität Bayreuth. Sie nahm ihm den akademischen Grad am Abend dann auch offiziell wieder ab. Er habe in seiner Doktorarbeit andere Texte übernommen und dies nicht hinreichend kenntlich gemacht habe, wie es wissenschaftliche Pflicht gewesen wäre, hieß es zur Begründung.

Die Promotionskommission der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät habe sich davon überzeugt, dass Guttenberg gegen diese wissenschaftlichen Pflichten "in erheblichem Umfang verstoßen" habe, teilte Unipräsident Rüdiger Bormann am Abend mit. "Dies hat er auch selbst eingeräumt." Die der Literatur ohne Kennzeichnung übernommenen Stellen seien als Plagiat zu bezeichnen. Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes habe die Kommission aber nicht untersucht, sagte Bormann.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Entscheidung der Uni als richtig und logisch. Das Votum zeige, dass zu Guttenberg mit seiner Selbsteinschätzung richtig liege. Der Minister hatte zuvor im Bundestag eingeräumt, er habe offensichtlich eine "sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben".

SPD: "Täuschungsversuch" und "Verschleierungstaktik"

In der ARD-Sendung "hart aber fair" bekräftigte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, am Abend die Kritik: "Guttenberg hat in großem Umfang gefälscht", sagte er. "Er hat sich den Doktortitel erschlichen."

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, kritisierte die Entscheidung der Hochschule als halbherzig. "Die Universität Bayreuth kneift, denn sie verzichtet darauf zu prüfen, ob eine bewusste Täuschung vorliegt - und das trotz massivster Anhaltspunkte", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Donnerstag). "Damit macht sie sich die Argumentation Guttenbergs zu eigen und erleichtert ihm das politische Überleben. Das ist nicht in Ordnung."

Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig hält an der Rücktrittsforderung fest. Guttenberg habe gelogen, sagte sie dem "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag). "Wenn er seine hohen Maßstäbe an sich selbst anlegt, bleibt nur der Rücktritt." Man könne Guttenbergs "Täuschungsversuch bei seiner Doktorarbeit und seine Verschleierungstaktik der vergangenen Tage" nicht von seinem politischen Amt trennen, so Schwesig weiter.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, sagte der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag) mit Blick auf die Plagiatsaffäre: "Die Glaubwürdigkeit des Ministers ist angekratzt. Daran besteht kein Zweifel." Zur Reaktion in der Truppe sagte Kirsch: "Die Soldaten im Auslandseinsatz beschäftigt diese Angelegenheit wenig. Ihnen kommt es darauf an, dass sich der Minister um ihre Anliegen kümmert. Das tut er."

dpa