Auf der Jagd nach dem Guttenberg'schen Plagiat
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat auf seinen akademischen Grad des Doktors von sich aus verzichtet und will ihn nicht mehr führen. Erst für den 6. März war die Entscheidung der Universität Bayreuth erwartet worden - aber "KT", wie ihn seine Unterstützer gerne nennen, beugte sich dem Druck aus dem Internet, trotz einer großen Unterstützergruppe auf Facebook.
22.02.2011
Von Christiane Schulzki-Haddouti

Die Universität Bayreuth wollte eigentlich erst am 6. März über die Dissertation des Bundesverteidigungsministers befinden. Doch der Druck war offenbar zu groß geworden, nachdem die Süddeutsche Zeitung wiederholt seine Dissertation auf Seite 1 gehievt hatte, nachdem der Spiegel ihm einen Titel gewidmet hatte und nachdem Hunderte Unbekannte in einem ad hoc aufgebauten Wiki namens GuttenPlag nicht nur acht Plagiate, sondern auf 271 Seiten seiner Arbeit Plagiate gemeldet hatten.

Mitmachen bei der Plagiatsjagd konnte jeder, eingerichtet wurde es von einem Benutzer unter dem Pseudonym PlagDoc. Bis jetzt ist nicht bekannt, wer sich hinter dem Namen verbirgt. Auch die anderen Nutzer bleiben anonym.

Der gestern Abend veröffentlichte Zwischenbericht meldet, dass bis jetzt 3521 von 16325 Zeilen, das sind 21,5 Prozent der Doktorarbeit (jeweils inkl. Fußnoten) als Plagiate identifiziert seien. Gemeldet wurden wesentlich mehr. Unter den geprüften Plagiaten befinden sich rund 27 Seiten Komplettplagiate, das heißt wortwörtliche übernommene Satzteile aus anderen Quellen. Des Weiteren finden sich rund 35 Seiten verschleierte Plagiate, 410 Zeilen Übersetzungsplagiate sowie 121 Zeilen so genannte Bauernopfer und 438 Zeilen verschärfte Bauernopfer.

Bauernopfer sind kleinere Textabschnitte, die über eine Fußnote referenziert werden. Größere Abschnitte, die auf derselben Quelle beruhen, wurden jedoch nicht angegeben. Zu den gefundenen Quellen gehören eine Erstsemester-Hausarbeit, eine Masterarbeit, ein US-Botschaftsbericht, diverse Zeitungsartikel sowie Schriften von der Verwaltung des Deutschen Bundestags und verschiedener anderer Wissenschaftler.

Solidarität auf Facebook aus Mitleid mit dem hohen Fall?

Es ist in der Tat eine erbarmungslose Bilanz. Und es könnte der Alptraum jedes Schülers, jedes Studenten, jedes Promovierenden sein: Eine Horde anonymer Internetnutzer durchforstet das liebevoll zusammengebastelte Referat, die Bachelorarbeit, die Dissertation und nimmt sie Satz für Satz auseinander. Jeder voreilig kopierte Satz landet in einem öffentlichen Wiki mit Hinweis auf die Quelle.

Vielleicht ist es daher auch ein gewisses Mitleid mit dem Delinquenten, das rund zweihunderttausend Bürger dazu brachte, Solidaritätsbekundungen auf der Facebook-Seite "Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg" abzugeben. Unternehmer Tobias Huch hatte die Seite am Freitag eingerichtet und damit eine vermutlich eher konservative Facebook-Mitglieder aktivieren können.

Vielleicht ist es auch das Unbehagen daran, dass ein Politstar so schnell so heftig unter Beschuss geraten kann. Nicht aufgrund politischer, sondern wissenschaftlicher Fehlbarkeit, was der Lebenswelt vieler etwas fern zu sein scheint. So schreibt ein Fan: "Haben unsere Politiker denn nichts anderes zu tun, als sich über Dissertationen tagelang die Köpfe zu zerbrechen oder sich wochenlang um 5-Euro-Erhöhungen zu streiten. Wir haben andere Probleme.“ Ein anderer schreibt: "Halten Sie durch und lassen Sie sich von Ihren Neidern nicht aus der Ruhe bringen." Laut verschiedener Umfragen sind etwa zwei Drittel der Bundesbürger auch der Ansicht, Guttenberg solle im Amt bleiben.

Es kommt nur darauf an, die Spielregeln einzuhalten

Andererseits ist die hohe Beteiligung an dem rasch aufgesetzten GuttenPlag-Wiki auch als Reaktion auf Guttenbergs Umgang mit den Vorwürfen zu sehen. Dieser bestand zunächst darin, das Ausmaß der Plagiate herunterzuspielen bzw. wissentliche Plagiate abzustreiten, um erst gestern Abend Fehler großen Ausmaßes offen zu gestehen. Die Macher des GuttenPlag-Wikis hat die Dynamik dieser Affäre auch überrascht. So schreiben sie: "Der Umfang der vermuteten Plagiate ist in den letzten Tagen geradezu explodiert. Mit der kurzen Prüfungszeit seien jedoch die dokumentierten Textstellen noch immer mit Unsicherheit behaftet. Daher werde in den nächsten Tagen eine detaillierte Analyse der vermuteten Plagiate fortgesetzt, die in einem Abschlussbericht dokumentiert werden soll."

Da sich die allermeisten Fundstellen über Internetsuchmaschinen finden ließen, wäre wohl auch eine gängige Plagiatsoftware zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Erstaunlich ist daher, dass die Universität Bayreuth eine solche Software nicht eingesetzt hat, obwohl dies an vielen Universitäten bereits Standard ist. Würden Universitäten dies aktiver kommunizieren, wäre vielleicht auch die Versuchung des Copy and Paste weniger groß. Andere Quellen zu benutzen ist nämlich notwendiger Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens. Es kommt einfach nur darauf, sich an die Spielregeln zu halten und die Quellen ordentlich anzugeben.


Christiane Schulzki-Haddouti ist freie Journalistin in Bonn und Expertin für Netzpolitik.