Filmkritik der Woche: "True Grit"
Rooster Cogburn reitet wieder: Die Brüder Coen haben in ihrem neuen Film "True Grit" den Westernklassiker "Der Marshall" überzeugend neu verfilmt.
22.02.2011
Von Jeanette Mohr

Die Heldin der Geschichte, die die Coen-Brüder erzählen, ist die 14-jährige Mattie Ross (Newcomerin Hailee Steinfeld), die in Arkansas um 1870 den Mord an ihrem Vater rächen will. Getrieben von der Überzeugung, das Richtige zu tun, macht sie sich auf zu einem, wie sie denkt, großen Abenteuer. Doch im Verlauf der Ereignisse erlebt Mattie so viel an Brutalität und Todesnähe, dass auch sie nicht unverändert bleibt.

[reference:nid=34797]

Unbeirrbar und mit großer Sturheit verfolgt das Mädchen seinen Plan, Tom Chaney (Josh Brolin) zur Rechenschaft zu ziehen, den Mann, der ihren Vater kaltblütig ermordet hat. Mit fast schon abgebrühter Entschlossenheit will sie dazu einen US-Marshal rekrutieren, von dem sie gehört hat, dass er "true grit" (Mumm) habe. Ihr scheinbar ungebrochenes Selbstvertrauen zeigt nur dann einen kleinen Riss, als sie mit vor Aufregung geröteten Wangen eben diesem Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges) gegenübersteht. Sie versucht, ihn von ihrem Vorhaben zu überzeugen.

Seinerseits ist dieser Reuben J. "Rooster" Cogburn von der Idee, einer 14-Jährigen bei der Umsetzung ihrer Rachepläne zu helfen, wenig begeistert. Nur mittels einer angemessenen Summe, die Mattie in einer wunderbaren Szene einem von ihrer Intelligenz und Beharrlichkeit in die Ecke getriebenen Pferdehändler abhandelt, kann sie ihn für das Unterfangen gewinnen.

Jeff Bridges hat sich in diesem Rooster Cogburn förmlich eingenistet; er lebt diesen alternden, einäugigen, ungepflegten, dicken Mann, der mit der einen Hand den Revolver zieht und mit der anderen die Whiskeyflasche an den ungewaschenen Mund setzt. Seine Unterkunft ist das Hinterzimmer eines Kolonialwarenladens, wo er zwischen Getreidesäcken, Weinfässern, Würsten und geräucherten Enten schläft. Selbst in der letzten Reihe eines noch so großen Kinosaales meint man, ihn riechen zu können.

Entgegen Matties ausdrücklichem Wunsch macht sich Monsieur LaBoeuf (Matt Damon), ein Texas Ranger, mit ihnen auf den Weg. Er verfolgt Chaney wegen Mordes an einem Senator und dessen Hund. Mit polierten Sporen, onduliertem Haar und gebürsteten Wildlederfransen am Revers wirkt der Dandy wie der Vorläufer eines Cowboys in einer Wildwestshow. Dass er dann doch besser zielen kann als der angesoffene Cogburn, ist nicht das Einzige, das seinen Charakter im Verlauf des Films rehabilitiert.

Bibelzitate und merkwürdige Ausdrücke

Die Entscheidung der Coen-Brüder, sich enger an die Romanvorlage zu halten, ist ausschlaggebend für die neue Tonlage des Films. Ganze Dialoge haben sie direkt aus dem Buch übernommen. Portis bediente sich eines Stils, die mit Bibelzitaten und merkwürdigen Ausdrücken die Charaktere scheinbar entrückt, jedoch trotz dieser vermeintlichen Distanz ins Herz der Geschichte trifft. Vor allem, wenn sie mit solcher Überzeugtheit und Direktheit vorgetragen wird wie von der jungen Hailee Steinfeld.

Die drei großartigen Schauspieler im Zentrum umgibt der Film mit nicht minder großartigen Bildern. Roger Deakins, der schon die anderen Filme der Coens in Szene setzte, hat für "True Grit" eine Palette gedämpfter, blasser Farben gewählt. Fort Smith erscheint ausgeblichen von Sonne, Trockenheit und Staub, zwischen Kupfer und Silber oszillierend. Die Landschaftsbilder sind in ihrer Kargheit fast beunruhigend. Weit und ausgedörrt ist das Land, das gezeigt wird; es ist kein Land für Kinder und schon gar keins für alte Männer.

Am Ende, im Epilog, sind die Cowboys tatsächlich alt, und der Wilde Westen ist zum Mythos geworden, der sich in Wildwestshows selbst stilisiert. Irgendwie müsse man für alles im Leben bezahlen - nichts sei umsonst außer "the grace of god", Gottes Gnade, sagte die erwachsene Mattie Ross (Elizabeth Marvel) im Voice-over zu Beginn des Films und setzte so den Ton für die Geschichte. Auch Mattie muss für das, was zunächst als großes Abenteuer begann, ihren Tribut leisten. Und der ist alles andere als klein. Nichts ist umsonst, diese Lektion erfährt sie buchstäblich am eigenen Leib.

USA 2010. Regie und Buch: Ethan Coen, Joel Coen (nach einem Roman von Charles Portis). Mit: Jeff Bridges, Matt Damon, Josh Brolin, Hailee Steinfeld. Länge: 110 Minuten. FSK: ab 12, ff. FBW: besonders wertvoll.

epd