Guttenberg verzichtet dauerhaft auf Doktortitel
Schritt für Schritt gibt der Verteidigungsminister dem Druck nach: Angesichts der Fülle von Plagiatsvorwürfen gegen ihn gibt Guttenberg seinen Titel zurück. Sein Amt will er aber behalten. Die Kanzlerin hat versichert, dass sie ihn als Minister, nicht als Dr. schätzt.

Angesichts immer neuer Plagiatsvorwürfe gegen seine Dissertation gibt Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg seinen Doktortitel endgültig auf. Er bat der Universität Bayreuth am Montagabend schriftlich, den Dr. zurückzunehmen. Zur Begründung habe er auf "gravierende handwerkliche Fehler" in seiner Arbeit hingewiesen, teilte die Hochschule am späten Abend mit. An seinem Ministeramt hält der CSU-Politiker aber fest: Er wolle trotz des Sturms der Kritik seine Aufgabe für die Bundeswehr erfüllen, sagte er auf einer CDU-Veranstaltung in Hessen.

Innerhalb der Union wurde die Entscheidung mit Überraschung aufgenommen. Einerseits könne Guttenberg damit ein Befreiungsschlag gelungen sein, hieß es am späten Abend in Parteikreisen. Andererseits wurde befürchtet, dass sein Ruf beschädigt und damit noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Aus dem Kanzleramt war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. In Berlin wurde mit einer Bewertung durch Merkel am Dienstag gerechnet.

Wenige Stunden zuvor hatte die Union dem angeschlagenen Minister noch ihre Unterstützung versichert: Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wollten ihn auch bei einem Verlust des Doktortitels nicht einfach fallen lassen. Merkel betonte, sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder Doktoranden ins Kabinett geholt. "Mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt."

"Schmerzhafter" Abschied vom Doktortitel

Guttenberg selbst sagte bei seiner ersten öffentlichen Rede seit Beginn der Affäre in Kelkheim bei Frankfurt: "Die Entscheidung, den Doktortitel nicht zu führen schmerzt." Schließlich habe er sieben Jahre in die Arbeit investiert. Drei Tage zuvor hatte er in seiner Erklärung in Berlin am Freitag noch betont, er verzichte nur bis zum Ende der Untersuchung durch die Universität Bayreuth vorübergehend auf den Titel.

Nun sagte er, beim erneuten Lesen der Dissertation über das Wochenende habe er selbst Fehler gesehen. Er habe "an der einen oder anderen Stelle den Überblick über die Quellen verloren". Er entschuldigte sich bei allen, die er durch seine Fehler verletzt habe - auch bei seinem Doktorvater. "Ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich geschrieben habe." Er habe aber nicht bewusst getäuscht.

Trotz Guttenbergs Verzichtsangebots sieht sich die Universität jedoch verpflichtet, "die notwendigen Prüfungen gemäß dem vorgegebenen Verfahren vorzunehmen". Bereits an diesem Dienstag werde die Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät die nötigen Schritte einleiten. Am frühen Nachmittag wolle Uni-Präsident Rüdiger Bormann ein Pressestatement abgeben, sagte dessen Sprecher der dpa.

Dem Minister wird zur Last gelegt, zahlreiche Passagen seiner Doktorarbeit aus Werken anderer Autoren kopiert zu haben. Nach einem Zwischenbericht von Internet-Aktivisten, die seine Doktorarbeit analysieren, soll mehr als ein Fünftel des Textes Plagiat sein. Es seien "bis jetzt 3521 von 16325 Zeilen, das sind 21,5 Prozent der Doktorarbeit (jeweils inkl. Fußnoten) als Plagiate identifiziert" worden, heißt es in einem am Montagabend veröffentlichten Zwischenbericht des "GuttenPlag"-Wikis.

Merkel: "Guttenberg hat mein volles Vertrauen"

Die CSU stellte sich dennoch hinter den Verteidigungsminister. "Karl-Theodor zu Guttenberg braucht keinen Doktortitel, um sein Amt auszuüben", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich am Montagabend nach Angaben seines Sprechers in Berlin. "Guttenberg weiß, dass die Soldaten und die Bevölkerung ihm vertrauen und er dafür auch keine akademischen Titel benötigt." CSU-Chef Horst Seehofer hatte Guttenberg bereits vor dessen Rede die volle Unterstützung seiner Partei zugesagt.

Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, Guttenberg sei selbst bei einer Aberkennung des Doktortitels noch ein guter Verteidigungsminister. Der Fraktionsvorstand im Bundestag stützte Guttenberg ebenfalls. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) stärkte zu Guttenberg auch nach dessen abendlicher Erklärung den Rücken. Dieser sei eine der "herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Politik". Und: "Wir wollen, dass das so bleibt."

Merkel hatte zuvor mehrfach betont, dass die Arbeit Guttenbergs als Minister entscheidend für sie sei. "Ich stehe zu der Person und zu der Arbeit, die er macht." Guttenberg habe ihr "volles Vertrauen". Seehofer rief Guttenberg auf, die Affäre durchzustehen.

Vorwurf des Amtsmissbrauchs

Gegen Guttenberg steht inzwischen auch der Vorwurf des Amtsmissbrauchs im Raum. Laut "Spiegel" und "Focus Online" soll er 2004 und 2005 beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages Studien zum Gottesbezug in der US-Verfassung und zur Rolle der USA im europäischen Einigungsprozess in Auftrag gegeben und die Texte fast vollständig in seine Dissertation eingefügt haben. Das Verteidigungsministerium wollte dazu nicht Stellung nehmen.

Die Opposition will den CSU-Politiker in dieser Woche im Bundestag zur Rede stellen. Am Mittwoch will sie die Vorwürfe in einer Fragestunde thematisieren. Zudem will die SPD eine Bundestagsdebatte beantragen. SPD-Chef Sigmar Gabriel verglich Guttenberg mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. In Deutschland dürfe es nicht dazu kommen, dass jemand, der sich als Medienstar verstehe, Sonderrechte für sich in Anspruch nehme.

Die Grünen und die Linke legten Guttenberg den Rücktritt nahe. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki forderte in der "Leipziger Volkszeitung" eine Abberufung Guttenbergs bis zur Aufklärung der Affäre.

Nach viel Hohn und Spott im Internet formieren sich dort auch die Unterstützer. Im Online-Netzwerk Facebook fand ein Forum mit dem Titel "Gegen die Jagd auf Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg" bis Montagmittag über 110.000 Unterstützer.

dpa