Tote in Tripolis: Gaddafi-Sohn warnt vor Bürgerkrieg
Die Gewalt in Libyens Hauptstadt Tripolis eskaliert. Nach unbestätigten Klinikangaben starben bei Protesten gegen das Regime zuletzt mehr als 60 Menschen, wie Al-Dschasira meldet. Gebäude stehen in Flammen. Ein Sohn Gaddafis warnte vor einem Bürgerkrieg.

Bei den jüngsten Protestkundgebungen gegen Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi sollen in der Hauptstadt Tripolis Dutzende Menschen ums Leben gekommen sein. Nach unbestätigten Krankenhaus-Angaben wurden in der Nacht und am Montag über 60 Menschen getötet, wie der arabische Sender Al-Dschasira berichtete. Auf dem Grünen Platz in Tripolis hätten sich wieder Tausende Demonstranten versammelt. Nach unterschiedlichen Angaben waren bisher bei den tagelangen Protesten etwa 200 Menschen getötet worden.

Oppositionsanhänger brannten in der Nacht zu Montag das Gebäude des Volkskongresses nieder. Nach Augenzeugenberichten soll das Gebäude des staatlichen Fernsehens geplündert worden sein. Die Lage in dem nordafrikanischen Land blieb unübersichtlich.

Ölpreise steigen durch die Gewalt in Libyen

Mehrere Volksstämme sollen sich den Gaddafi-Gegnern angeschlossen haben. Ein Gaddafi-Sohn warnte vor einem Bürgerkrieg. Der Staatschef mied weiter die Öffentlichkeit. Die Gewalt in Libyen lässt die Ölpreise steigen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur April-Lieferung kostete im frühen Handel 103,64 US-Dollar. Das waren 1,12 Dollar mehr als am Freitag.

Gaddafis Sohn Saif al-Islam, der als Nachfolger der Präsidenten gehandelt wird, hatte in der Nacht in einer Fernsehansprache vor einem Bürgerkrieg gewarnt. Er sagte, die Führung sei bereit zu Reformen. Sie wolle aber, falls nötig, bis zum letzten Mann kämpfen.

Das Parlament, der Allgemeine Volkskongress, sollte am Montag zusammenkommen und über Reformen beraten. Nach Angaben von Einwohnern der Stadt waren bis zum frühen Morgen Schüsse zu hören gewesen. Zahlreiche Polizeistationen der Hauptstadt standen am Morgen in Flammen, wie ein Korrespondent von Al-Dschasira berichtete.

Aufständische haben ganze Städte unter Kontrolle

Nach unbestätigten Meldungen sollen sich die Sicherheitskräfte aus mehreren Städten zurückgezogen haben. Die Aufständischen, die am vergangenen Mittwoch mit ihren Demonstrationen gegen die Staatsführung begonnen hatten, haben demnach einige Städte weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht. Im Osten hätten kriminelle Banden das Machtvakuum für Plünderungen ausgenutzt.

Die EU sollte nach Ansicht des italienischen Außenministers Franco Frattini derzeit von Sanktionen gegen das von Gewalt erschütterte Libyen absehen. "Europa sollte nicht eingreifen", sagte Frattini am Montag in Brüssel am Rande eines Treffens mit seinen europäischen Amtskollegen.

Auf Internetseiten der Oppositionellen hieß, zwei Stämme planten, die Stadt Sebha in Zentrallibyen unter ihre Kontrolle zu bringen. Zuvor hatten Gerüchte die Runde gemacht, dass sich Gaddafi dorthin zurückgezogen haben soll.

Bis zum Morgen hingen Tränengasschwaden in der Luft. Der Flughafen Tripolis war am Montag noch geöffnet. Dem Vernehmen nach bereiteten sich zahlreiche Ausländer auf die Ausreise vor. Westliche Firmen sind vor allem im libyschen Energiesektor sowie im Baugeschäft tätig. Auch etwa 500 Deutsche leben in dem nordafrikanischen Land, darunter auch viele Deutsche mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Auswärtiges Amt warnt vor Reisen nach Libyen

Das Auswärtige Amt in Berlin warnt nun vor Reisen in den Osten des Landes. Auf seiner Internet-Seite empfahl das Ministerium ausdrücklich, Bengasi, die zweitgrößte libysche Stadt, zu meiden. Grundsätzlich wird geraten, von Reisen nach Libyen abzusehen. Allen Deutschen, die sich derzeit noch in dem nordafrikanischen Land aufhalten, wird die Ausreise empfohlen. Eine förmliche Reisewarnung für ganz Libyen gab es aber noch nicht.

Als Touristen sind im Land vermutlich nur wenige Bundesbürger unterwegs. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte Libyen erst im vergangenen November besucht und dabei auch Machthaber Muammar al-Gaddafi getroffen. Damals fand in Tripolis ein EU/Afrika-Gipfel statt.

dpa