Hartz IV: "Wir wollen es zu Ende bringen"
Am Sonntagabend könnte es im Tauziehen um Hartz IV vielleicht eine Einigung geben: Auf acht Euro mehr beim Regelsatz - zahlbar in zwei Stufen. Der Vorschlag von Kurt Beck, Wolfgang Bühmer und Horst Seehofer liegt auf dem Tisch. Bewegung gibt es auch beim Bildungspaket für Kinder.
20.02.2011
Von Karl-Heinz Reith und Günther Voss

In einem waren sich Regierungskoalition und Opposition völlig einig: "Gestritten um Hartz-IV ist genug. Wir wollen es zu Ende bringen". So hieß es am Sonntag zum Auftakt der neuen Hartz-IV-Vermittlungsrunde in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt in Berlin. Selten wurde um eine vom Verfassungsgericht verlangte Gesetzesänderung zwischen Bundestag und Bundesrat so erbittert gerungen worden, wie um die Unterstützungssätze für Langzeitarbeitslose und die Bildungshilfen für bedürftige Kinder.

Auf dem Tisch liegt der gemeinsame Vorschlag der drei Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD/Rheinland-Pfalz), Wolfgang Böhmer (CDU/Sachsen-Anhalt) und Horst Seehofer (CSU/Bayern). Danach soll der Regelsatz für die Hartz-IV-Empfänger nicht wie von der Koalition vorgesehen um nur fünf sondern um acht Euro steigen - auf 367 Euro monatlich. Mehrkosten für den Bund: Rund 180 Millionen Euro pro Jahr.

Trotz der bisher heftigen Ablehnung aus Union und FDP könnte der Vorschlag den Weg zur Einigung ebnen - in einer Zwei-Stufen-Variante. Fünf Euro rückwirkend zum 1. Januar, drei Euro vom 1. Juli an. Kurz vor der neuen Gesprächsrunde sickerte durch, CDU und CSU könnten sich vielleicht doch zur Zustimmung durchringen könnten.

Spitzen von CDU und FDP: Fünf Euro und keinen Cent mehr

Die drei Länderchefs hatten für ihr Modell mit dem Hinweis geworben, in ihre Berechnung sei bereits die Inflationsentwicklung des ersten Halbjahres 2010 eingeflossen - diese Erhöhung wäre für den Bund über kurz oder lang sowieso fällig gewesen. Das Credo der Spitzen der CDU und der FDP dagegen lautete: Fünf Euro und keinen Cent mehr.

Der Alternativplan für die Anhebung um acht Euro in zwei Schritten stammt dem Vernehmen nach aus dem Bundesarbeitsministerium. Er könnte einen Sinneswandel bewirkt haben. Sollten CDU und CSU jedoch von ihrem bisher kompromisslosen Ablehnungskurs abrücken wäre dies eine Niederlage für Kanzlerin Angela Merkel. SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig forderte zum Auftakt die Koalition einmal mehr zum Einlenken auf. "Die Menschen haben es satt, dass die Bundesregierung mit der Kanzlerin voran Entscheidungen für die Ärmsten und Kinder in Not auf die lange Bank schiebt. Wir brauchen heute eine Einigung und von Schwarz-Gelb den ernsthaften Willen zu einem guten Kompromiss." Da hatten sich SPD und Grüne schon auf Zustimmung zu dem Zwei-Stufen-Plan festgelegt.

Sozialverbände erinnern an Steuergeschenke für Hotels

Bis zuletzt hatte die Kanzlerin Merkel (CDU) gemahnt, es gehe beim Regelsatz schließlich um das Geld der Steuerzahler, deshalb wolle man nicht draufsatteln. Auch FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle wollte von dem Kompromissvorschlag nichts wissen. Sozialverbände äußerten empört, es sei Schwarz-Gelb dagegen nach der Bundestagswahl sehr leicht gefallen sei, in Windeseile rund zwei Milliarden Euro Steuervergünstigungen für Hotelliers und reiche Erben auf den Weg zu bringen - weitgehend zu Lasten der Kommunen.

Gleichwohl spürten alle, dass ein Kompromiss fällig war. Schließlich geht es um die Umsetzung eines Verfassungsurteils. Klar ist auch, dass das schier endlose Tauziehen um Regelsätze und Bildungspaket das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der Politik zuletzt stark schwinden ließ. Und gegen ein weiteres Verschieben sprach auch, dass nach Hamburg schon bald die nächsten Landtagswahlen anstehen: In vier Wochen Sachsen-Anhalt, eine Woche später Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, am 22. Mai dann Bremen.

Tatsächlich hat es bei den Kompromissgesprächen schon deutliche Bewegung beim Bildungspaket für die 2,5 Millionen bedürftigen Kinder gegeben. Vergleicht man die Ausgangsposition von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihren ursprünglichen Vorstellungen einer Bildungschipkarte der Jobagenturen mit dem letzten Verhandlungsstand, hat sich auch aus Sicht von Kritikern das Tauziehen gelohnt. Übernimmt der Bund auch noch die Kosten für 3000 Sozialarbeiter an sozialen Brennpunktschulen - wie von den Länderchefs vorgeschlagen -, dann wäre aus ihrer Sicht dem Verfassungsgerichtsurteils schon in großem Umfang Genüge getan.
 

dpa