Weiterhin Proteste in Libyen und Bahrain
Machthaber in der arabischen Welt sehen sich von der Reformbewegung bedroht. Sie greifen teilweise zu brutaler Gewalt, um die Kontrolle über ihre Länder nicht zu verlieren. Vor allem in Libyen kennen die Sicherheitskräfte keine Gnade. Die Zahl der Toten steigt.

Die arabische Welt ist in Aufruhr. In Libyen, wo Staatschef Muammar al-Gaddafi seit mehr als 40 Jahren an der Macht ist, sind nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN am heutigen Sonntag weitere Proteste geplant. Am Samstag gingen Tausende Unzufriedene in Libyen, Algerien, Bahrain und im Jemen auf die Straße, um Reformen durchzusetzen. In Libyen reagierte die Staatsmacht mit großer Brutalität.

Diese Vorgehen der Sicherheitskräfte habe der Opposition neue Energie zugeführt, sagte ein Gaddafi-Kritiker in Libyen zu CNN. Ein Regimegegner sagte dem US-Sender am Sonntag: "Wir wollen, dass Gaddafi geht. Wir wollen Freiheit... Wir wollen Demokratie."

Der Blutzoll in Libyen ist hoch. Augenzeugen sprachen von einem Massaker in Bengasi, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dort hätten Soldaten am Samstag mit scharfer Munition und mit Panzerfäusten auf Demonstranten und Wohnhäuser gefeuert. Eine Augenzeugin sagte, vor ihrem Haus habe sie 25 Leichen liegen sehen. Die Soldaten seien keine Libyer gewesen, sondern "Söldner" aus Mali.

Gaddafi verlässt sich auf die Armee

Auch aus der Küstenstadt Misurata waren am Samstag Massenproteste gemeldet worden. Dort gingen nach Angaben der Nationalen Front zur Rettung Libyens Tausende von Regierungsgegnern auf die Straße und riefen immer wieder "Nieder mit Gaddafi". Berichte über Unruhen gab es aus der Hauptstadt Tripolis.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sollen seit Beginn der Proteste gegen das Gaddafi-Regime mindestens 84 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden sein. Beim arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira und bei CNN war unter Berufung auf Augenzeugen sogar von 200 Toten die Rede. Wegen der Abschottung des Landes ist die wirkliche Lage jedoch schwer einschätzbar.

Gaddafi, der seit 1969 an der Macht ist, und einen extremen Kult um seine Person betreibt, verlässt sich unter anderem auf eine Einheit der Armee, die sein Sohn Chamies leitet. Für einen anderen Teil der Streitkräfte ist sein Sohn Mutassim zuständig. Seinen Sohn Seif al-Islam werden eigene politische Ambitionen nachgesagt. In Libyen sind Parteien verboten.

Telefonat zwischen Bahrain und den USA

In Bahrain gab es erste Zeichen der Entspannung - dort erhielt die Armee den Befehl zum Rückzug von den Straßen, der Kronprinz erhielt den Auftrag zum Dialog. Am Samstag telefonierte der Nationale Sicherheitsberater Tom Donilon mit Kronprinz Scheich Salman bin Hamad al-Chalifa, um erneut die Gewalt gegen Demonstranten zu verurteilen, wie das Weiße Haus in Washington mitteilte.

Kronprinz Al-Chalifa ist zugleich stellvertretender Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er hatte am Samstag die Streitkräfte aus den Straßen und Wohngebieten des Landes zurück in die Kasernen beordert. Anstelle des Militärs solle nun wieder die Polizei für die Aufrechterhaltung der Ordnung sorgen.

Im Königreich Bahrain am Persischen Golf blieb die Lage zwei Tage nach der blutigen Niederschlagung der Proteste in der Hauptstadt Manama am Samstag angespannt. Auf dem zentralen Lulu-Platz werde weiter demonstriert, berichtete der britische Sender BBC am Sonntagmorgen.

Die Außenminister der Europäischen Union wollten am Sonntagabend und am Montag in Brüssel die Lage in der arabischen Welt erörtern.

dpa