Belgiens Regierungskrise ein Fall fürs Guinness-Buch
Fragwürdiger Meistertitel für Belgien: Das kleine Königreich kann mittlerweile die längste Regierungskrise der Welt verzeichnen. Seit 249 Tagen sind die Flamen und Wallonen im Schwebezustand. Mit 249 Tagen ohne Regierung löste das Land am Donnerstag den bisherigen Rekordhalter Irak ab.

Belgien steckt seit den Parlamentswahlen vom Juni 2010 in der politischen Sackgasse. Politiker aus beiden Landesteilen streiten erbittert über die Verteilung von Macht und finanziellen Mitteln. Viele belgische Bürger haben von dem Geschacher auf der politischen Ebene längst genug. Am Donnerstag luden rund 30 Studentenorganisationen in etlichen Städten zu Demonstrationen und Musikveranstaltungen ein. Es gehe vor allem darum, gegen den Zerfall Belgiens anzukämpfen, erklärten die Organisationen. Die Initiative wird augenzwinkernd "Fritten-Revolution" genannt, in Anspielung an das belgische Nationalgericht Pommes Frites.

Schon im Januar hatte es in Brüssel einen Protestmarsch gegeben, dem sich über 30.000 Menschen angeschlossen hatten. "Wir wollen eine Regierung - sofort!" hatten die Demonstranten unter anderem skandiert. Es sei bemerkenswert, hieß es jetzt in einigen Zeitungskommentaren - während in der arabischen Welt gerade Regierungen verjagt würden, wollten die Belgier unbedingt eine haben.

"Wir wollen eine Regierung - sofort!"

Dafür gibt es allerdings durchaus ernste Gründe: Unter anderem hat Belgien mit enormen Staatsschulden zu kämpfen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dürften sich durch die Abwesenheit einer Regierung weiter verschärfen, berichtet etwa die Internet-Zeitung "EUObserver". So wolle die Ratingagentur Standard & Poor's Belgien herabstufen, wenn sich bis Juni keine Regierung gebildet hat.

An kreativen Ideen für den Protest mangelt es nicht. Einige Belgier lassen sich seit Wochen die Bärte wachsen, andere appellieren an die Ehefrauen der Politiker, ihren Gatten bis auf weiteres den Sex zu verweigern. So oder so werden die Bürger sich wohl noch eine Weile gedulden müssen: Am Mittwoch hatte König Albert II. angekündigt, er werde das Mandat des Unterhändlers für die Lösung der Krise noch einmal um zwei Wochen verlängern.

epd