Die Schöpfung im Blick: Kirchen setzen auf Ökostrom
Die Kirchen wollen mit gutem Beispiel voran gehen: Sie wollen Kernkraft nicht weiter unterstützen - und wechseln zu Ökostrom. Umweltschutz soll zu einem Prinzip werden. Um den Bemühungen einen Rahmen zu geben, ist in vielen Landeskirchen ein kirchliches Umweltmanagement eingeführt und mit dem "Grünen Hahn" ein eigenes Ökolabel geschaffen worden.
15.02.2011
Von Thomas Paterjey

In manchen Regionen haben die Kirchen klar vor Augen, welche Energiegewinnung sie nicht unterstützen wollen. So auch in Lüchow-Dannenberg. In diesem Kirchenkreis liegt Gorleben - der Ort in Wendland, zu dem alljährlich begleitet von erheblichen Protesten Castoren mit strahlendem Atommüll gebracht werden. Der Salzstock ist der einzige Standort, der als mögliches Endlager erkundet wird. "Wir stehen hier an erster Front", sagt Ingo Mattner, Leiter der Bau- und Grundstücksabteilung im Kirchenkreisamt. "Unser Umweltbewusstsein wurde geschärft durch mehr als 30 Jahre Gorleben-Diskussion." 

Vor drei Jahren fasste der Kirchenkreis den Entschluss, mit Bezahlen der Stromrechnung nicht mehr die großen Stromkonzerne unterstützen zu wollen, sagt Mattner, der auch im Umweltausschuss sitzt. Deswegen sollte ein neuer Rahmenvertrag mit einer Firma ausgehandelt werden, die ausschließlich sauberen Ökostrom vertreibt und wieder in regenerative Energieproduktion investiert. "Da gibt es letztlich nur vier Unternehmen, die das anbieten", sagt Mattner.

Kirchliches Umweltmanagement

Sein Kirchenkreis sei der erste innerhalb der hannoverschen Landeskirche gewesen, der den Wechsel zu grünem Strom angegangen sei, sagt Mattner. Danach habe man auch den Gasanbieter gewechselt. Doch damit nicht genug: Die Landeskirchen haben erkannt, dass die Bemühungen zum Klimaschutz einen Rahmen brauchen. So wurde in vielen Kirchen ein professionelles Umweltmanagement eingeführt. Das von der Evangelische Kirche in Westfalen entwickelte System nutzen inzwischen auch die Landeskirchen von Hannover, Bremen und Mitteldeutschland sowie die reformierte Kirche.

Die Landeskirche in Württemberg hatte eine Vorreiterrolle. Per Synodenbeschluss wurde im Jahr 2000 der "Grünen Gockel" - in Norddeutschland als "Grüner Hahn" bekannt - aus Label für kirchliches Umweltmanagement eingeführt, erläutert Hans-Hermann Böhm, der Umweltbeauftragte der Landeskirche. Grundlage für das Managementsystem sei die europäische Norm EMAS (Eco-Management and Audit Scheme).

Verankert in der Gemeinde

Wenn sich eine Gemeinde entschließt, das Umweltmanagement einzuführen, beginnt damit ein Prozess, der sich über mehrere Jahre hinzieht. "Das hat mehrere Vorteile", sagt Böhm. "Zum einen ist das dann keine Eintagsfliege."  Früher sei es oft so gewesen, dass Engagierte ein Projekt ins Leben riefen, dass dann jedoch auch wieder einschlafen konnte. "So machen wir jetzt umgekehrt nicht alles auf einmal, sondern können viele mitnehmen", sagt Böhm. Statt eines einzelnen Projekts, geht es also ums Prinzip: Das Management verpflichtet die Gemeinden, ihre Daten über den Energieverbrauch einer zentralen Stelle zu melden. Gutachter überprüfen, ob die Pläne realistisch und die Anstrengungen erfolgreich sind. Wichtig sei, dass keine Vorschriften über zu erreichende Ziele gemacht werden, sagt Böhm: "Die Gemeinden entscheiden über ihre Ziele selbst."

Kirche setze sich aus Überzeugung für den Klimaschutz ein: "Viele Gemeinden haben einen Wetterhahn auf dem Turm", sagt Böhm. Das Label mit dem Tier sei immer wieder ein neuer Ansporn, die Ziele zu erreichen: "Der 'Grüne Gockel' hält uns wach, dass die Schöpfung bewahrt werden soll." Wenn eine Kirche das Label verliehen bekomme, werden die Urkunden oftmals im Rahmen eines Gottesdienstes übergeben. "Der Umweltgedanke wird so noch mehr im Gemeindeleben verankert", sagt Böhm. Jeweils am ersten Freitag im September werde außerdem der "Tag der Schöpfung" begangen. Wenn die Kirchenmitglieder sehen, welche Erfolge ihre Gemeinde erzielt, werden sie auch ermuntert, zu Hause Energie zu sparen.

Einkauf und Vertrieb in Eigenregie

Die Kirchen nehmen so auch die Versorgung mit umweltschonenden Energien selbst in die Hand: 1998 hatten Kirchengemeinden zunächst einen Einkaufspool mit gemeinsamen Rahmenverträgen gebildet. Seit 2009 beliefert eine Gesellschaft zur Energieversorgung der kirchlichen und sozialen Einrichtungen (KSE) zahlreiche Kirchengemeinden und Einrichtungen von Diakonie und Caritas mit Gas. Diese wird von beiden evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg sowie den katholischen Bistümern Freiburg und Rothenburg-Stuttgart getragen. "Seit diesem Jahr gibt es auch Strom, der frei von Atomkraft ist", sagt Böhm. Rund 80 Prozent der Gemeinden in Württemberg seien umgestiegen. "Der Strom kommt aus einem Wasserkraftwerk in Österreich."

Der Geschäftsführer der KSE, Albert-Maria Drexler, erläutert, dass das Unternehmen nicht gewinnorientiert arbeite. Der Strom werde zum Selbstkostenpreis an die kirchlichen Verbraucher geliefert. Jedoch haben diese die Möglichkeit, freiwillig einen Aufschlag zu zahlen: "Der Klimacent ist ein Aufschlag von 0,5 Cent pro Kilowattstunde." Dieser werde zu 100 Prozent an den jeweiligen Gesellschafter abgeführt, die sich verpflichtet hätten, dass Geld in die energetische Sanierung von Kirchengebäuden zu investieren, sagt Drexler.

Klage gegen Salzstockerkundung

Zurück ins Wendland: Der Wechsel des Stromanbieters sei in erster Linie die "natürliche Konsequenz" der offenen Endlagerfrage gewesen, sagt der Lüchower Propst Stephan Wichert-von Holten. "Wir haben uns gefragt, wie viel des Plutoniums wir selber verursacht haben, der jedes Jahr an den Schlaf- und Kinderzimmern der Dörfer hier vorbeirollt." Doch nun der Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg noch einen Schritt weiter: Gemeinsam mit einer Gemeinde, der ein Grundstück über dem Salzstock Gorleben gehört, hat die Propstei Klage gegen die Bundesrepublik erhoben: "Als Kirche sind wir verantwortlich für Klarheit", sagt Wichert-von Holten. Gerichte müssten jetzt Dinge aufarbeiten, über die man anders nicht mehr ins Gespräch komme.

Die Kirche sei nicht per se gegen die Erkundung des Endlagers, sagt der Propst. "Es geht um die Bewahrung und Bebauung der Schöpfung gleichermaßen." Jedoch sei das Misstrauen in den zurückliegenden Jahrzehnten immer weiter gewachsen. Wichtig sei, dass Alternativen zu Gorleben geprüft würden. Letztlich müsse es irgendwann in Deutschland ein Endlager geben, ist sich Wichert-von Holten sicher. Das könne auch in Gorleben sein, wenn sich der Standort als der beste unter verschiedenen Alternativen erweise. Ein Grund mehr also, warum die Kirchenleute weg vom Atomstrom wollten.


Thomas Paterjey studiert in Hannover und arbeitet als freier Journalist