Kopten blicken hoffnungsvoll in Ägyptens Zukunft
Nach dem Rücktritt von Ägyptens Präsident Hosni Mubarak blicken koptische Christen voller Hoffnung in die Zukunft ihres Heimatlandes. "Wir sind überrascht von der Schnelligkeit, aber wir sind auch sehr stolz auf diese jugendliche Revolution", sagt Fathi Guirguis, Vorstand und Geschäftsführer der koptisch-orthodoxen Markus-Gemeinde in Frankfurt am Main. "Wir wünschen uns jetzt eine liberale Regierung." Friede und Freiheit müsse für alle Bürger Ägyptens gelten, "ganz gleich ob Christen oder Moslems."
13.02.2011
Von Thomas Paterjey

Guirguis berichtet, dass die Gemeindemitglieder fast täglich mit ihren Verwandten in Ägypten telefonieren. Rund 200 Familien aus dem Rhein-Main-Gebiet kommen in Frankfurt jeden Sonntag zum Gebet zusammen. Der orthodoxe Ritus dauert rund drei Stunden. Bei den Treffen in der Gemeinde seien die Entwicklungen in den vergangenen Wochen auch immer ein Thema gewesen: "Wie heute nach dem Gottesdienst sprechen wir über unsere Hoffnungen." Die Zuversicht werde ihnen dabei von Gott zugesprochen: "Als Christen wissen wir, dass uns niemand wehtun kann."

Das Regime von Mubarak habe die Christen in dem Land nicht geschützt, sagt Guirguis. Vielmehr seien die Gläubigen immer neuen Gefahren ausgesetzt gewesen. Der Anschlag auf eine koptische Kirchengemeinde in Alexandria in der Neujahrsnacht habe viele Ägypter wachgerüttelt – auch viele Muslime. "Der Innenminister ist jetzt entmachtet und muss sich vor dem Militär der Verantwortung stellen", resümiert der Gemeindevorstand mit Genugtuung. Er ist mit einer Deutschen verheiratet. Dass seine Kirche in den vergangenen Wochen sehr in der Öffentlichkeit steht und sich viele Deutsche auch für die Entwicklungen in Ägypten interessieren, freut ihn: "Wir können zeigen, dass wir nicht irgendeine Sekte sind, sondern Christen."

Familien in Sorge

Rund zehn Prozent der Bevölkerung des Landes bekennt sich zum Christentum. Der Gottesdienst in der Markus-Kirche besteht aus koptischen, arabischen und deutschen Teilen. Das Gemeindemitglied Mary Mekael sagt, dass die Gemeinde ihr Weihnachtsfest nach dem Anschlag von Alexandria am 7. Januar unter Polizeischutz gefeiert habe, sei schon sehr gewöhnungsbedüftig gewesen. Das sei für ihren ältesten Sohn Andrew, der in die zweite Klasse geht, unbegreifbar gewesen: "Seine Lehrerin sagt, dass er im Unterricht sehr traurig ist", sagt die 36-Jährige: "Die Kinder bekommen viel zu viel mit von den Entwicklungen." Ein Bruder ihres Mannes, Tanten und Cousinen von Mekael leben in Ägypten. Eine Schwägerin sei in das Land gereist, kurz bevor die Proteste auf Kairos Tahrir-Platz immer mehr Menschen anzogen. "Sie steckte dann in Ägypten fest", berichtet Mekael. Das sei schon sehr aufregend für die ganze Familie gewesen.

Der koptische Papst habe die Gläubigen zunächst aufgefordert, sich bei den Protesten zurück zu halten. Nun jedoch müssten die Christen aktiv werden, sagt Mekael, die in Frankfurt eine Ausbildung zur Erzieherin macht und sich auch in der Sonntagsschule der Gemeinde engagiert. "Bei den Demonstrationen wurden christliche Lieder gesungen." Auch Muslime hätten in die Verse eingestimmt. Das habe sie sehr hoffnungsvoll gestimmt. Sie glaubt nicht, dass die Muslimbrüderschaft jetzt die Regierung übernehmen wird: "Das wird die jugendliche Bewegung nicht zulassen." Ägypten brauche eine neue Verfassung. Ägypten könne dabei von dem deutschen Grundgesetz lernen. Mekael findet es jedoch schade, dass der christliche Glaube in der deutschen Politik kaum eine Rolle spielen: "Dabei kommen die Ideen von sozialen Leistungen und von der Toleranz aus den christlichen Werten."

Neues Politikbewusstsein

Christian Khalil lebt seit mehr als drei Jahren in Ägypten. Zu der Verlobung seiner Schwester ist er nach Deutschland gekommen. Der 26-Jährige ist in den USA geboren und in Deutschland aufgewachsen. Das Leben im Westen habe ihn geprägt. "Ich habe mir oft die Frage gestellt, woran es gelegen hat, dass die Ägypter nicht für ihre Freiheit gekämpft haben." In der kommenden Woche fliegt er wieder zurück nach Ägypten. "Ich finde es schade, dass ich die Revolution nicht in Kairo miterlebt habe", sagt der junge Mann.

Die Stimmung in der Hauptstadt Ägyptens müsse mit dem Gefühl der Deutschen im Jahr 1989 vergleichbar sein. "Quer durch die Gesellschaft wurde ein neues Politikbewusstsein entfacht." So wie es damals auf einmal kein Ost und West mehr gegeben habe, so gebe es im Moment auch keine Unterschiede zwischen Christen und Moslems: "Als ich nach dem letzten Gottesdienst, den ich in Ägypten vor meine Reise besucht habe, aus der Kirche kam, hatten muslimische Jugendliche einen 'Human shield' um uns gebildet." Die Christen seien von den jugendlichen Moslems geschützt worden, weil sie die gleichen Ziele hätten, sagt Khalil.

Säkulare Verfassung

Im Idealfall könnte Ägypten jetzt eine säkulare Verfassung bekommen. Doch daran kann selbst Khalil nicht so recht glauben. 20 Generäle leiteten nun das Land, das sei eine Ausnahmesituation. Er nimmt seine demokratischen Erfahrungen aus der westlichen Welt mit in das arabische Land: "Ich bin einer der wenigen Ägypter, die in einem anderen Land schon einmal demokratisch und frei gewählt haben."


Thomas Paterjey studiert in Hannover und arbeitet als freier Journalist