Generalsekretärin des Kirchentags befürwortet Frauenquote
Die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Ellen Ueberschär, befürwortet eine Frauenquote für kirchliche Führungspositionen. Die evangelische Kirche sei das beste Beispiel für die Wirkungslosigkeit von Selbstverpflichtungen, sagt die Theologin. Ueberschär: "Überall da, wo Männer das Gefühl haben, Macht ausüben zu können, bringen freiwillige Verpflichtungen gar nichts." Verhinderungsstrategien gegen Mütter in Führungsfunktionen seien ausgefeilt. Eine geschlechtergerechte Kirche habe keine Nachteile. "Angst vor der Feminisierung der Kirche muss niemand haben", sagt die Generalsekretärin.
12.02.2011
Von Barbara Schneider und Rainer Closon

Über eine Frauenquote für die Führungsebene großer Unternehmen ist eine Debatte entbrannt. Die evangelische Kirche hat bereits 1989 eine Zielvorgabe für die Gleichstellung beschlossen. Warum gibt es trotzdem so wenige Frauen in Führungspositionen in der evangelischen Kirche?

Ueberschär: Die EKD ist das beste Beispiel für die Wirkungslosigkeit von Selbstverpflichtungen. Überall da, wo Männer das Gefühl haben, Macht ausüben zu können, bringen freiwillige Verpflichtungen gar nichts. Bei der Evaluation von Gleichstellungsgesetzen, die in den 1990er Jahren in einigen - nicht in allen! - Kirchen verabschiedet wurden, zeigt sich, dass die Verhinderungsstrategien gegenüber Müttern in Führungspositionen sehr ausgefeilt sind. Wenn die Kanzlerin den Männern der Wirtschaft freundlich erklärt, dass Mütter beim Erziehen ihrer Kinder "auch auf eine bestimmte Weise auf Trab gehalten werden", ist das eher naiv als hilfreich.

Der EKD-Ratsvorsitzende befürwortet mehr Anreize und Verbindlichkeit, um den Frauenanteil in kirchlichen Gremien zu erhöhen. Was muss sich strukturell ändern, damit mehr Frauen in der Kirche auch Spitzenpositionen bekleiden?

Ueberschär: Von den 22.000 Personen im Pfarramt ist nur ein Drittel weiblich. Und von diesem Drittel arbeitet fast die Hälfte in Teilzeit! An der Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss in der Kirche gearbeitet werden. Ein kirchlicher Kindergarten von 8 bis 12 Uhr reicht nicht aus. Und: Ja, wir brauchen eine Quote in Führungsfunktionen der Kirche. Dazu gehört auch - das hat die Karriereforschung erwiesen - ein mentaler Wandel in den Köpfen von Männern und Frauen gleichermaßen. Männern müssen sich die Kriterien ihrer Auswahl für Nachfolger und Kollegen bewusst machen - bisher suchen sie ihresgleichen aus. Frauen müssen mehr wagen. Die angebotene Chance zu nutzen, bedeutet oft, auf ein großes Stück Autonomie zu verzichten. Nicht immer wird das finanziell ausgeglichen, aber nicht immer ist das Finanzielle das Wichtigste.

Nach der "Männerstudie" hat die Zustimmung für Frauen in kirchenleitenden Ämtern bei Frauen und Männern von 1998 auf 2009 abgenommen (bei Frauen von 49 auf 42 Prozent, bei Männern sogar von 44 auf 34 Prozent). Woran liegt das? Wird die evangelische Kirche konservativer?

Ueberschär: Ich halte es mit Churchill und glaube nur der Statistik, die ich selbst gebastelt habe. Da es in den letzten Jahrzehnten nicht mehr als drei Bischöfinnen gegeben hat, scheint mir dieses Ergebnis eher ein Geschmacksurteil über die drei Frauen als eine statistisch erhärtete Position zu sein. Seit die CSU eine Frauenquote eingeführt und die CDU-Regierung eine ganze Reihe starker Ministerinnen hat, die familienpolitisch viel bewirkt haben, ist das Thema Frauen in Führung keiner politischen Kategorie mehr zuzuordnen, sondern milieuübergreifend.

Welche Vor- und Nachteile hätte eine "geschlechtergerechte Kirche" der Zukunft?

Ueberschär: Eine geschlechtergerechte Kirche hat keine Nachteile, sondern erfüllt die Anforderungen des Evangeliums, dass weder Geschlecht noch Rasse noch soziale Stellung eine Rolle spielen - weder vor Gott noch innerhalb der christlichen Gemeinschaft. Das von vielen in der Wirtschaft geförderte Konzept einer "mixed leadership" ist auch für die Kirche ein lohnenswertes Ziel. Angst vor der Feminisierung der Kirche muss niemand haben.

epd